Denn wer zuletzt stirbt
Patienten günstiger. Immerhin aber hatte sich Makler Fred vorerst mit der Aussicht auf zwei Monatsmieten Vermittlungsprovision abgefunden.
»Der Markt für Mietobjekte ist zur Zeit ganz günstig, speziell für etwas größere Objekte. Sie wissen selbst, was in Berlin alles für die Leute aus Bonn gebaut wurde, wie verrückt. Und nun stellt sich heraus, daß unsere Staatsdiener lieber ihr Wüstenrot-Häuschen mit Blick über den Rhein behalten und hier in einem Einzimmerappartement hausen, oder gleich bei ihrer Sekretärin, und wöchentlich auf unsere Kosten hin und her geflogen werden. Unsere Di-Do Beamten! So eine Arbeitszeit wünsche ich mir auch!«
Na, klar, ich bin auch neidisch auf Leute, die nur Dienstag, Mittwoch und Donnerstag arbeiten müssen. Aber wenn ich dadurch zu einer ruhig gelegenen Wohnung komme, sollte mir das im Moment recht sein. Makler Fred bat mich, einen Fragebogen auszufüllen: Meine Wünsche bezüglich Wohnungsgröße und Wohnungsumfeld, was ich dafür monatlich ausgeben könnte, mein Beruf, mein Gehalt.
»Sie sind also Arzt!«
Arzt fand er gut, verhieß das doch wenigstens für die Zukunft die Chance auf sechs Prozent Verkaufsprovision.
»Niedergelassen oder noch in der Klinik?«
»Ich arbeite an der Humana-Klinik.«
Hatte Fred in der Humana-Klinik schlechte Erfahrungen als Patient gemacht? Einen Angehörigen verloren? Er machte keine entsprechende Bemerkung, aber irgendwie schien seine Haltung mir gegenüber verändert. Anders als angekündigt, legte er mir keine Angebote vor, keine Fotos, keine Adressen. Plötzlich hatte er es eilig, murmelte etwas von einem wichtigen Termin, den er fast vergessen hätte, und daß er sich melden würde, sobald er etwas Passendes für mich gefunden hätte. Wahrscheinlich arbeitete er lieber mit niedergelassenen Ärzten, einer in der Regel deutlich finanzkräftigeren Klientel als wir an der Klinik.
Am nächsten Vormittag rief ich nach der Visite im Büro unserer Verwaltungsleiterin an. Beate ließ mir mitteilen, ich könne gleich kommen. Dienstliche Besprechungen mit Beate sind eine etwas zwiespältige Sache. Beate ist die beste Freundin von Celine, und seit unseren gemeinsamen Aktivitäten in Sachen »russische Spende« sind wir auch direkt befreundet. Aber in der Klinik ist sie, wenigstens in verwaltungstechnischen Angelegenheiten, meine Vorgesetzte. Es ist ihr Job, die Interessen der Klinik wahrzunehmen. Wobei die Interessen der Klinik nicht immer den Interessen der Ärzte entsprechen, oder denen der Patienten.
»Habe ich dir eigentlich schon ein frohes neues Jahr gewünscht?«
Beate erhob sich hinter ihrem Schreibtisch und dirigierte mich in die »gemütliche Ecke« ihres überdimensionierten Büros.
»Weiß nicht mehr genau – bei mir wurde es ja kurz nach Mitternacht etwas hektisch. Jedenfalls danke schön, und dir auch ein frohes neues Jahr.«
»Und – irgendwelche guten Vorsätze?«
»Ich suche mir eine neue Wohnung.«
»Na, endlich! Wie groß denn?«
Beate blickte mich unschuldig an, doch ich hatte ihre Frage verstanden.
»Nein, Celine und ich werden auch in Zukunft nicht zusammen wohnen – dafür liegt uns beiden zu viel an unserer Beziehung.«
Tatsächlich befinden sich die Wohnungen von Celine und mir in derselben Straße und liegen fast unmittelbar einander gegenüber. So wohnen wir faktisch nicht weiter auseinander als manche Leute in einer größeren Villa, jedoch in dem Gefühl wechselseitiger Unabhängigkeit. Und es ist einfach netter, Celine zu besuchen, als in einer gemeinsamen Wohnung über ihre herumliegenden Klamotten zu stolpern.
Ich schaute mich in Beates Büro um. Es gab deutliche Veränderungen, seitdem hier nicht mehr Dr. Bredow beziehungsweise Professor Dohmke residierten, jedenfalls glaube ich nicht, daß das Büro der Verwaltungsleitung vorher jemals afrikanische Kunst gesehen hatte. Von den Wänden und aus den Regalen blickten nun holzgeschnitzte Masken mehr oder weniger drohend auf den Besucher, und auf dem mächtigen Schreibtisch tanzte eng umschlungen ein gut genährtes afrikanisches Pärchen. Ganz eindeutig zu identifizieren war es nicht, aber mir schien, daß die beiden mit der Zeugung von afrikanischem Nachwuchs beschäftigt waren. Stand Beate auf afrikanische Kunst oder, wie ich mit der Urangst des weißen Mannes überlegte, auf Neger? Sollten die schwarzen Krieger sie gegen uns, ihre vorwiegend männlichen Untergebenen, unterstützen? Uns einschüchtern?
Beate suchte nach einem Übergang zum
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