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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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dienstlichen Teil dieses Gespräches. Um ihn zu finden, mußte sie etwas zurückgehen in unserer Unterhaltung.
    »Na, ja, ich wollte dich sprechen, also, es geht um diese Hektik kurz nach Mitternacht zu Silvester.«
    Das hatte ich mir gedacht – sonst hätte ich schon gestern auf ihr Memo reagiert.
    »Weißt du, natürlich will ich mich nicht in die medizinischen Entscheidungen einmischen ...«
    »Der Patient hat überlebt. Es geht ihm gut.«
    »Er hat nur Glück gehabt, meint Dr. Valenta. Aber, wie gesagt, ich werde mich nicht in die medizinischen Diskussionen einmischen, das müßt ihr unter euch Doktors ausmachen.«
    Das stimmte. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern in diesem Büro, die in der Regel genausowenig über eine medizinische Ausbildung verfügten, hielt sich Beate tatsächlich aus diesen Fragen heraus. Deshalb war mir nur zu klar, in welche Richtung sich unsere Unterhaltung entwickeln würde, und ich versuchte einen Entlastungsangriff.
    »Beate. Es ist eine blöde Sicherung in der Infusionspumpe durchgebrannt. Dies Ding hier, Preis fünf Cent oder so.«
    Ich trug die durchgebrannte Sicherung immer noch mit mir herum, um Ersatz zu beschaffen.
    »Und das hätten wir sofort gemerkt, wenn du endlich die Leitungen für einen zentralen Überwachungsmonitor auf meiner Station bewilligen würdest. Nur für ein paar Betten. Einen Kostenvoranschlag habe ich dir schon vor Monaten rübergegeben.«
    »Genau das ist der Punkt, Felix. Es geht um die Kosten. Das ist mein Job. Und deshalb muß ich dir sagen, daß ein intensivpflichtiger Patient auf die Intensivstation gehört. Es ist nicht die Frage, was uns ein paar neue Leitungen auf deiner Station kosten würden. Deine Station ist eine gehobene Pflegestation und nicht für die Behandlung von akuten Erkrankungen eingerichtet, das weißt du doch. Ihr sollt da ein bißchen Zucker einstellen, mit viel Geduld offene Beine wieder zukriegen, die alten Menschen jedenfalls soweit hinbekommen, daß sie zurück in ihr Altersheim oder zu Hause von einem Pflegedienst versorgt werden können. Was soll da ein zentraler Überwachungsmonitor?« Sie holte tief Luft. »Du, weißt, welchen Tagessatz wir für deine Patienten auf der Geriatrie bekommen?«
    Natürlich wußte ich das. Sechsundsiebzig Euro am Tag. Das reicht kaum für ein Hotelbett außerhalb des Autobahnrings von Berlin. Geschweige denn für eines mit Vollpension und medizinischem Vierundzwanzig-Stunden-Service.
    »Das mag jetzt sehr nach Verwaltungsdirektor klingen. Aber ich habe mal die Arzneimittelkosten zusammengestellt, die uns dein Patient Winter seit Weihnachten verursacht hat. Fast dreihundert Euro täglich.«
    Das kam hin. Moderne Antibiotika waren durch die Umstellung auf den Euro nicht billiger geworden. Kamen noch die Infusionslösungen hinzu, das Dopamin, das Insulin. Es läpperte sich.
    »Das heißt«, fuhr Beate fort, »allein an Medikamenten hat uns dein Patient rund zweihundertfünfundzwanzig Euro am Tag Verlust eingebracht. Mal abgesehen von Unterkunft, Verpflegung, Bettwäsche, Reinigung, der Arbeit der Schwestern, deiner Arbeit. Und Winter war schon der sechste Patient in diesem Quartal, der uns bei dir so teuer gekommen ist.«
    So gut war Beates Computerprogramm offensichtlich doch nicht. Nach meiner Erinnerung waren es über zehn.
    »Beate, du weißt, daß ich das nicht mache, weil ich mich ab und zu als Intensivdoktor aufspielen möchte oder Valenta nicht traue. Wenn es vertretbar ist, möchte ich aber meinen Leutchen einfach den Streß der Intensivstation ersparen. Wie würdest du dich auf der Intensivstation fühlen, wenn du biologisch sowieso bald fällig wärest? Ich will es dir sagen: Mindestens wie in der Vorhölle. Du würdest dich bedanken.«
    »Es bleibt deine ärztliche Entscheidung, ob und wann du bei deinen alten Leuten Intensivmedizin für angebracht hältst. Du bist der Doktor. Aber wenn, dann mußt du sie auf die Intensivstation verlegen. Dafür haben wir die. Dann bekommen wir auch die Kosten von der Krankenkasse erstattet, zumindest, wenn wir Glück haben. Wie soll ich denn das Geld für eure Gehälter zusammenkratzen, wenn ihr es nicht erwirtschaftet, Felix?«
    Sie brauchte es nicht auszusprechen, aber sie hatte mir gerade eine konkrete dienstliche Anweisung gegeben. Ihr Job als unsere Verwaltungsleiterin gab ihr das Recht dazu, und die Anweisung war letztlich auch vernünftig. Aber, es war das erste Mal in unserer dienstlichen Beziehung, daß sie ihr Weisungsrecht in Anspruch genommen

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