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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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hatte. Es war erstaunlich: So wie Beate das Büro der Verwaltungsleitung radikaler als jeder ihrer Vorgänger verändert hatte, war sie selbst auch deutlich verändert. Ich hatte sie vor zwei Jahren als durchaus hübsche, aber doch irgendwie mausgraue Freundin von Celine kennengelernt, die nach einem Studium der Betriebswirtschaft in einem großen Steuerbüro arbeitete. Ich kann mich noch genau erinnern, daß sie bei unserem ersten Treffen in Luigis Restaurant ein auffällig buntes Sommerkleid trug und trotzdem irgendwie farblos wirkte. Inzwischen lief sie fast nur noch in dunkelblauen oder schwarzen Kostümen herum, Typ Lufthansa-Erste-Klasse-Frühmaschine Berlin-Frankfurt und wirkte alles andere als mausgrau. Und sie machte ihren Job als Verwaltungsleiterin gut.
    Nun war ich gespannt, ob sie das Gespräch als Verwaltungsleiterin beenden würde oder als Freundin. Sie wählte die zweite Variante.
    »Da wir beide nicht mehr sicher sind – stoßen wir noch auf das neue Jahr an? Der Bestechungschampus muß weg, bevor der nächste Vertreter kommt!«
    Also verzichteten wir auf das Mittagessen in der Klinikcafeteria und leerten gemeinsam ein Fläschchen Veuve Clicquot, bevor ich mich wieder meiner ärztlichen Arbeit zuwenden würde. Demzufolge traf mich der erste wirkliche Hammer des Tages mit irgendwo zwischen 0,5 und 1,0 Promille im Blut.
    Auf dem Rückweg zum Altbau ging ich in der technischen Abteilung vorbei, um Ersatz für die durchgebrannte Sicherung zu besorgen. Intensivstation hin, Intensivstation her, ein paar funktionstüchtige Infusionspumpen brauchten wir auch auf meiner Station.
    »Wo ham se denn dat Dingens her, Dokta? So ne Sicherungen ham wa im janzen Haus nich!«
    Kopfschüttelnd begutachtete Hauselektriker Willi meine Sicherung.
    »Die ist aus einem Infusomaten. Von meiner Station.«
    »Kann nich sein, Dokta. Da müssn Se wat verwechseln. Die würde sofort durchbraten in einem Infusomaten. Müssn Se ausm Spielzeug ham oder sowas. Die Dinga sind alle gleich groß, aber eben nich gleich stark.«
    Sie war aber nicht aus einem Spielzeug. Sie war aus dem Infusomaten, der Winter in der Silvesternacht hatte am Leben erhalten sollen.
    »Was heißt sofort? Wie lange würde es dauern, bis diese Sicherung in einem Infusomaten durchbrennt?«
    »Na, ja, sofort nich. So fünf bis fünfzehn Minuten denk ick mal, aber dann is se hin, hundertpro!«
    »Und dann, wie lange kann der Infusomat auf Akku laufen?«
    »Ne jute Stunde, bei die neuen Modelle. Aber nich bei die alten Dinger bei Sie auf Station. Da reicht der Akku gerade mal, daß die Warndiode aufleuchtet. Mehr is nich. Wolln Se ne Richtiche mitnehmen, Dokta?«
    Es dauerte einen Moment, bis ich auf seine Frage reagierte.
    »Ja, sicher. Das wäre nett. Geben Sie mir ein oder zwei neue mit.
    Willi kramte in einer seiner vielen Schubladen und gab mir zwei kleine blaue Sicherungen.
    »Hier, Dokta. Blau, det sind die Richtichen. Deshalb ham die alle ne Farbe, daß man se nich verwechselt. Aber ick sach Se imma, rufn Se mich, wenn wat nich looft, und fummeln Se nich imma selba rum an die Geräte, Dokta. Dafür bin ick doch da.«
    Ziemlich bestürzt steckte ich die beiden blauen Sicherungen ein. Nach dem, was Willi mir eben gesagt hatte, war der Ausfall der lebenserhaltenden Infusion bei Winter kein Zufall oder technischer Defekt, sondern Ergebnis einer enormen Schlamperei. Oder aber einer bewußten Manipulation, wenn irgend jemand entgegen meinen Bemühungen entschieden hatte, daß Winter lange genug gelebt hat! Ich war froh, daß mir meine 0,5 bis 1,0 Promille halfen, diese Erkenntnis zu verdauen. Nur eine knappe halbe Stunde später wünschte ich allerdings, ich hätte zusätzlich Beates Champusration intus.

    Elektriker Willi kennt sich gut aus, trotzdem kontrollierte ich, zurück auf meiner Station, selbst den Infusomaten. Und es stimmte: Auf der Rückseite der kleinen Plastikabdeckung, die man zum Auswechseln der Sicherung aufschrauben muß, stand es, klar und deutlich: »Achtung! Nur (blaue) Fünf-Ampere-Sicherungen verwenden !«
    Da Winter nicht nur aus dem Vorzimmer des Todes, sondern inzwischen auch lebend von seinen Feindflügen über London zu uns heimgekehrt war, hatten wir ihn heute von der Intensivstation zurückbekommen. Ziemlich vergnügt saß er auf der Bettkante und arbeitete an den Notizen zu seinem Kriegstagebuch.
    »Dr. Hoffmann! Da habe ich Ihnen ja ganz schöne Probleme gemacht! Ich kann mich zwar an nichts erinnern, aber ich danke Ihnen. Für

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