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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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kamen.
    Mit Sorge erwartete ich freilich den Tag, an dem wir zum erstenmal mit dem Haustier eines bei uns verstorbenen Patienten konfrontiert wären. Dieser Tag ließ nicht lange auf sich warten, endete jedoch ganz anders, als befürchtet. Während ich noch überlegte, ob ich den Weg ins Tierheim Hohenschönhausen diesmal ohne Stadtplan finden würde, mußte ich schon den Streit unter meinen Patienten schlichten, wer sich jetzt um das Meerschweinchen kümmern dürfe.
    Noch einen positiven Effekt hatte unsere Tierpension. Nach einigen Wochen meldete sich Beate bei Dr. Hoffmann.
    »Felix, du darfst dir diesen Tag im Kalender anstreichen. Zum erstenmal hast du in deiner Chronikerabteilung das Medikamentenbudget nicht überschritten!«
    Tatsächlich, der Verbrauch an Beruhigungsmitteln, Antidepressiva und Schlaftabletten, den Rennern bei meinen Patienten, war um über die Hälfte zurückgegangen. Und für mich persönlich ergab sich aus dem umgebauten Wirtschaftstrakt auch ein Gewinn: Nun hatte ich einen Ort, an dem ich das anspruchsvolle Fräulein Trixi in gute Hände abgeben konnte, wenn ich zu einem Kongreß wollte oder in einen Urlaub ohne Hund.
    Das Wochenende direkt nach der Eröffnung unserer Tierpension verbrachten Celine und ich gemeinsam. Während Celine noch im Bett auf frischen Kaffee wartete, studierte ich die Sonntagszeitung, die ausführlich über unsere Stiftung berichtete und dabei heftig das deutsche Steuerrecht in bezug auf Stiftungen kritisierte. Im Wirtschaftsteil las ich eine kurze Notiz, daß der Antrag der Hauptanteilseignerin der »in Schwierigkeiten geratenen« Firma Advanced Biotechnology Systems, Simone Simons, auf Haftverschonung abgelehnt worden sei und außerdem die Aktien der Firma am Neuen Markt nicht mehr notiert würden.
    Im Wissenschaftsteil wurde unter der Überschrift »Altersgen identifiziert« der Wissenschaftler mit seiner Aussage zitiert, daß dank seiner Entdeckung die Lebenserwartung der Menschen schon bald mindestens zweihundert Jahre erreichen würde. Ich erwog, unter diesen Umständen doch wieder mit dem Rauchen anzufangen. Denn Celine hatte ihre unausgesprochene Wette verloren. Trotz meiner Zigarette mit Renate in der Silvesternacht hatte ich nicht erneut mit dem Rauchen begonnen.

Epilog

    Es bereitete ihm Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Falsch. Er hatte gar nicht das Bedürfnis, Realität und Traumbilder zu trennen. Er wußte, daß sein Hirn ihn betrog, eine Gnade der Natur, damit er sein langsames Ersticken nicht wahrnahm. Die Luftnot war da, ebenso wie die Schmerzen, aber aufgrund eines Jahrmillionen alten Notprogramms und Dr. Hoffmanns Schmerzinfusion störte ihn beides nicht wirklich.
    War das nicht Dr. Hoffmann an seinem Bett, verstellte der nicht gerade die Infusionsgeschwindigkeit? Es dauerte eine Weile, bis er seine Augen richtig fokussieren konnte und seinen Irrtum erkannte. Es war nicht Dr. Hoffmann, es war sein Copilot, der die Treibstoffzufuhr erhöhte. Warum tat der das? Einen Moment geriet er in Panik, als die Messerschmitt unruhig wurde und drohte, über die linke Tragfläche abzuschmieren. Aber es gelang ihm, die Maschine abzufangen, und er ging auf Heimatkurs, zurück über den Kanal. Schon bald erblickte er die Küste der Normandie unter sich, Bauern brachten die Ernte ein, Kühe suchten unter den spärlichen Bäumen auf den Weiden Schutz vor der Augustsonne.
    Eine friedliche Landschaft, keine Zeichen des tobenden Krieges von hier oben. Plötzlich wußte er, daß er nicht auf dem Feldflugplatz landen würde, kein Bedürfnis nach der rauhen Geselligkeit des Kasinos verspürte. Ohne jedes Stottern des Motors zog er die Maschine höher, er war allein, der Copilot mußte irgendwo ausgestiegen sein. Er ließ Paris rechts liegen, flog weiter auf Südkurs, über die wundervollen Orte am Mittelmeer, überflog das Meer, überflog den Atlas. Nun war er der einsame Postflieger über der Sahara, ab und zu sah er eine Karawane gemächlich durch die Wüste ziehen, ein paar Beduinen ihre Köpfe gen Himmel recken. Immer höher zog er die Messerschmitt, trotzdem brauchte er die Sauerstoffmaske nicht, konnte so frei atmen wie schon lange nicht mehr. Jetzt überschaute er die gesamte Sahara, bald lag ganz Afrika unter ihm, wie in seinem Schulatlas. Dann sah er die Erde als wundervollen blauen Planeten, gleich den Bildern, die uns die Mondflieger zurückgebracht hatten. Und immer noch stieg die Maschine. Er hatte den Mond hinter sich gelassen und steuerte auf einen

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