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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Handy, sie war schon unterwegs zur Klinik.
    »So eine Sauerei! Ich sag den anderen Bescheid und komme sofort.«
    Von meinem Fenster aus konnte ich beobachten, wie jetzt erneut die Haustür bei Celine aufging. Allein mit einer Unterhose bekleidet, die Hände über dem Kopf, wurde Sedat abgeführt. Ein lächerlich übertriebener Einsatz schien mir. Oder war dieser Sedat mit seinen beneidenswerten Kochkünsten und den unschuldig freundlichen dunklen Augen tatsächlich ein gefährlicher Terrorist? Schraubte er in Celines Küche Bomben zusammen und mischte Kunstdünger mit Nägeln in ihrem Mixer?
    Wenigstens dürften die türkischen Sicherheitsdienste ihre deutschen Kollegen dies glauben gemacht haben.
    Wie auch immer, dieser Sedat tat mir leid, und irgendwie schämte ich mich für die deutsche Polizei. Mehr aber noch, daß ich angestrengt versuchen mußte, eine leise Stimme zu ignorieren, die nicht trauerte, daß dieser gutaussehende junge Mann endlich die Wohnung meiner Freundin verließ.
    Die Show war beendet, eine neue Lautsprecherdurchsage gab die Straße wieder frei. Als ich mit Trixi im Schlepptau zu Celine hinüberging, parkte Beate gerade ihren Wagen ein.
    Wenig später glich Celines Wohnung einem Taubenschlag. Es mußten neue Quartiere für andere abgelehnte Asylbewerber gefunden, ein Termin mit der Ausländerbeauftragten ausgemacht, Gegenmaßnahmen überlegt werden. Das Stichwort hieß »Öffentlichkeit herstellen«. Eine blasse Rothaarige kreischte anhaltend »Polizeistaat, Polizeistaat«, die anderen Mitglieder der Truppe schienen jedoch ganz effektiv. Ich war dort überflüssig, kaum jemand schenkte mir Beachtung. Bis auf die Rothaarige, die plötzlich losschrie.
    »Wer is‘n der eigentlich? Ein Spitzel! Ein Spitzel!« Ich verzog mich in die Klinik.
    In den folgenden Tagen sah ich nicht viel von Celine. Es war nicht ganz klar, ob sie sich nun auch versteckt hielt oder einfach nur stark beschäftigt war. In der Schule jedenfalls hatte sie sich krank gemeldet. Ein paarmal hatten wir Kontakt über Beates Handy.
    Wenige Tage nach dem Polizeieinsatz tauchten abends zwei Herren in Zivil bei mir auf und wollten sich erkundigen, ob ich irgend etwas über meine Nachbarin Celine Bergkamp wisse.
    »Celine wer?« fragte ich und wurde sie bald los.
    An diesem Abend ging ich zeitig zu Bett, schließlich hatte ich Celine am Telefon versprochen, sie morgen ganz früh am Flughafen Schönefeld zu treffen. Da fiel mir etwas ein. Ich stand noch einmal auf und holte mir Packpapier und einen dicken Filzstift.

    Die Demonstranten in der Abflughalle des Flughafens Berlin-Schönefeld boten fast ein ebenso mitleiderregendes Bild wie die drei Asylanten, die hinter der massiven Polizeikette und begleitet vom Bundesgrenzschutz in den Lufthansa-Flug nach Istanbul gebracht wurden. Knapp ein Dutzend Leute, in der Mehrzahl Typ Friedensaktivist oder professioneller Vegetarier, hielten den jungen Beamten ihre selbstgemachten Plakate entgegen.
    »Abschiebung ist Mord«, »Ihr habt jetzt auch Blut an euren Händen«, »Boykottiert die Lufthansa«.
    Celine wirkte in ihrem eleganten Wintermantel in dieser Gruppe wie eine Börsenmaklerin, die sich in der Adresse geirrt hat. Auf ihrem Plakat stand schlicht: »Schämt euch!« Ich mußte lächeln. Mit einigen Schwierigkeiten gelang es mir, mich durch die Polizeiabsperrung zu arbeiten, erst dann sah sie mich.
    »Das ist nett, daß du gekommen bist.«
    »Ehrensache«, antwortete ich und rollte mein gestern abend beschriebenes Packpapier auf. Nun hatten wir zwei Plakate, auf denen »Schämt euch!« stand.
    Die Aktion war schnell vorbei, die drei Kurden leisteten kaum Widerstand, nur einer von ihnen brüllte irgendwelche Sachen, die schon wegen der Sprache niemand verstand, außerdem, weil er gegen die Trillerpfeifen aus der Demonstrantengruppe keine Chance hatte. Mit gesenktem Kopf wurde Celines Asylant Sedat an uns vorbeigeführt, kein Blick, kein Dank. Wollte er seine Patin nicht kompromittieren? Oder fühlte er sich verraten, sah Celine als Teil des Systems? Am Ende der Aktion, die immerhin für viel Lärm und viel Polizei gesorgt, wenn auch nicht die Abschiebung der Asylanten verhindert hatte, gab mir Celine einen Kuß, bevor sie sich mit ihren Mitstreitern zur Planung weiterer Aktivitäten zurückzog.
    Dieser Morgen hatte uns wieder versöhnt, ich mußte den Kurden dankbar sein. Zum erstenmal seit Wochen war plötzlich dieser dumpfe Druck in der Magengegend nicht mehr da, und erstaunlich: Ich

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