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Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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aber sicher wenigstens fahrlässige Körperverletzung anhängen.
    Also gut, keine Polizei. Das bedeutete, daß die Ermittlungsarbeit erst einmal in der Verantwortung von Hilfsinspektor Dr. Hoffmann lag. Frage: Gibt es Verdächtige, Hilfsinspektor? Nun, ja. Da war Schwester Renate. Schon mal höchst verdächtig dadurch, daß sie einen attraktiven Kerl wie mich in der Silvesternacht hat stehen lassen. Wenig später hatte Schwester Käthe sie aus Winters Zimmer kommen sehen, und danach war sie von der Station verschwunden. Wer noch?
    Ich würde mich diskret bei Winter erkundigen müssen, wer sich über sein Erbe freuen dürfte. Soweit ich wußte, schien ihm nicht viel an Familie geblieben zu sein. Seine Frau war vor Jahren verstorben, Kinder hatten sie nicht gehabt. Bisher hatte er nur eine Großnichte erwähnt, nach seinen Worten eine dynamische junge Geschäftsfrau, Vorstandsvorsitzende irgendeines erfolgreichen Startups. Es gab natürlich die Möglichkeit, Makler Fred zu fragen, mit wem er seine Verkaufsprovision von Winters Wohnung teilen müsse. Allerdings war ich inzwischen sicher, er würde es mir nicht sagen. Überhaupt hatte ich nicht das Gefühl, in nächster Zeit von Makler Marske zu hören.
    Moment! Ich unterbrach meine wilden Spekulationen. Der Grund, warum ich wegen der falschen Sicherung von »enormer Schlamperei« zu »Anschlag auf Winters Leben« gewechselt war, lag hauptsächlich in der Tatsache, daß Makler Fred mir Winters Wohnung zum Kauf angeboten hatte. Wer aber sagt mir, daß nicht Winter selbst den Verkauf seiner Wohnung in Auftrag gegeben hatte? Winter könnte nachgedacht haben und zu dem nicht unrealistischen Schluß gekommen sein, daß er diese Klinik eventuell nicht lebend verlassen würde oder wenn, dann in ein Pflegeheim müsse. Das könnte ich bestimmt klären, ohne die Sicherung zu erwähnen!
    Unter dem Vorwand, die Medikation für die nächsten Tage mit ihm zu besprechen, besuchte ich am Nachmittag noch einmal Winter und erwähnte dabei am Rand, daß ich eine neue Wohnung suche, eventuell auch eine Eigentumswohnung. So um die hundert Quadratmeter, ruhige Wohnlage. Winter schaute mich an.
    »Meine Wohnung in Nikolassee, die wäre ideal für Sie, Doktor. Tatsächlich habe ich auch schon überlegt, daß ich sie eigentlich verkaufen sollte, mich aber dagegen entschieden. Würde ich damit nicht zugeben, keine Hoffnung mehr zu haben, je wieder nach Hause zu kommen?«
    Damit war das geklärt. Auf keinen Fall hatte mein Patient Winter den Makler Marske mit dem Verkauf seiner Wohnung beauftragt, sondern jemand, der so sicher von Winters Tod in der Silvesternacht ausgegangen war, daß er schon begonnen hatte, die Wohnung auszuräumen! Welche Chuzpe!
    Die letzte Aktion des Kliniktages von Hilfsinspektor Hoffmann bestand darin, möglichst unauffällig Schwester Renate aufzulauern. Ich traf sie in der Teeküche.
    »Renate – du hast ja gehört, daß wir in der Silvesternacht ein paar Probleme mit Herrn Winter hatten. War denn alles in Ordnung, als du bei ihm warst?«
    »Ich bei Winter? Wann soll denn das gewesen sein, Felix?«
    »Na. ich dachte, du warst so kurz vor zwölf bei ihm im Zimmer?
    »Ich? Nein, war ich nicht.«
    Sprach es und verschwand, wieder mit diesem ein- und ausdrucksvollen Schwung ihrer Hüften. Immerhin hatte sie sich mit dieser Antwort Anspruch auf Platz eins im Wettbewerb der Verdächtigen gesichert. In Ermangelung anderer Verdächtiger konnte ich ihr auch gleich Platz zwei und drei zuweisen.

    Der wichtigsten Frage ging ich vorerst aus dem Weg: Was sollte ich mit Winter tun? Mußte ich nicht annehmen, daß er sich weiterhin in Gefahr befand, daß – wer auch immer – einen zweiten Anschlag auf sein Leben versuchen könnte?
    Gegen Feierabend beschloß ich, mir gleich morgen über dieses Problem Gedanken zu machen, heute hatte ich noch einen Termin: bei meiner Tante Hilde. Kennt man meine Tante Hilde, und kennt man mich, dann kennt man die ganze Familie, mehr sind irgendwie nicht übrig geblieben. Tante Hilde wackelt auf die fünfundachtzig zu, nimmt mir übel, die Familie nicht biologisch fortgeführt zu haben, und ist schwerhörig. Deshalb ist es sinnlos, sich telefonisch nach ihrem Befinden zu erkundigen, man muß sie schon besuchen.
    Unsere Unterhaltung konzentriert sich gewöhnlich auf drei Themen: »Ricarda«, ihre dreimal die Woche Haushilfe aus Kroatien, »beklaut mich. Wie ist mein Blutdruck? Wann kann ich endlich sterben?« Vor ein paar Wochen hatte ich Hilde einen

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