Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Denn wer zuletzt stirbt

Denn wer zuletzt stirbt

Titel: Denn wer zuletzt stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
Vom Netzwerk:
drängt es plötzlich ins Museum. Man trifft Leute, die man schon seit Jahren nicht mehr gesehen, und besucht Sammlungen, von denen man noch nie gehört hat. Als Bildungsbürger kenne ich natürlich das Pergamon-Museum, das Alte Museum, das Kulturforum und so weiter, hatte aber bis zur Einführung der langen Nacht der Museen keine Ahnung von der Existenz zum Beispiel eines Schwulen-Museums, eines Zuckermuseums oder einer polizeigeschichtlichen Sammlung in meiner Stadt.
    Celine und ich waren inzwischen Profis für die »Lange Nacht«, ausgerüstet mit Angora-Unterwäsche, dicken Handschuhen und einem Glühwein in der Hand standen wir auf unserem Berliner Schloßplatz ohne Schloß in der Bùsschlange. Wir hatten keine bestimmten Museen auf dem Programm und warteten einfach den ersten nicht überfüllten Shuttle-Bus ab. Seine Route würde entscheiden, was wir in dieser Nacht zu sehen bekämen.
    Wir ergatterten einen Platz auf der Linie 5. Schon im Bus entdeckte uns allerdings Bodo, ehemaliger Mitschüler von Celine und laut ihres Kurzkommentars heute noch pickeliger als damals. Bodo war alleine unterwegs, jetzt aber nicht mehr, hatte er offensichtlich entschieden. Haustiertreu stieg er an jeder Station mit uns aus beziehungsweise blieb beim Gegenversuch genau wie wir sitzen. Im historischen Hafen erklärte er uns die ehemalige Bedeutung von Spree und Havel für die wirtschaftliche Entwicklung Berlins, im Puppentheater-Museum kam er natürlich mit Kleists Bemerkungen »Über das Marionettentheater«. Er sei Lektor in einem bedeutenden Verlag, verriet er uns ungefragt, das erkläre seine umfassenden Kenntnisse.
    Erst im Gewirr des Jüdischen Museums wurden wir Bodo schließlich los. Bis dahin hatte ich allerdings außerdem zwei Leute getroffen, denen ich Geld schuldete. Wie gesagt, in der »Langen Nacht der Museen« ist tatsächlich tout Berlin auf den Socken!
    Im Technikmuseum empfingen uns dann die großen Dampfmaschinen aus der industriellen Revolution, die riesigen Dampfloks, mit deren Hilfe die schlesischen Kohlebarone ihr schwarzes Gold zu ihren Stahlvettern an den Rhein und die Ruhr transportiert hatten. Es war in der optischen Abteilung, daß mich Celine plötzlich hinter eine Säule zog.
    »Guck mal da, Manfred, der Makler!«
    Ich hätte ihn nicht erkannt, durch einen Zerrspiegel waren seine Proportionen grotesk in die Breite gezogen. Aber ohne Zweifel, dort stand Geländewagenfahrer Fred. Und neben ihm, voll herausgeputzt zum Kultur-Groupie, Margitta Seeger von der Hauspflege, von einem anderen Spiegel in eine Wespentaille geschnürt, sonst kaum verändert gegenüber ihrer Zeit als Schwester bei uns in der Klinik.
    »Die Frau neben ihm ist übrigens Margitta von der Hauspflege«, klärte ich Celine auf. »Ein interessantes Pärchen, findest du nicht?«
    »O Mann, o Mann! Wirklich unglaublich, wen man heute nacht alles trifft!«
    »Glaubst du, daß die beiden sich gerade zufällig kennengelernt haben?«
    »Das werden wir gleich wissen«, antwortete Celine, zog mich weiter hinter den Pfeiler und zauberte ein Handy aus ihrer Handtasche.
    »Seit wann hast du ein Handy?«
    »Moment«, murmelte Celine, während sie die Memory Taste und eine einzelne Ziffer drückte.
    Im selben Moment ertönte bei den Zerrspiegeln »Freude schöner Götterfunken«. Margitta griff in ihren Mantel, holte ein Handy hervor und meldete sich mit »Ja, bitte?« bei Celine. Dann schüttelte sie mißbilligend den Kopf, klappte ihr Handy zu und verstaute es wieder in der Manteltasche.
    Ich wiederholte meine Frage.
    »Seit wann hast du ein Handy?«
    »Ist nur geborgt. Immobilien-Fred hat es bei meinem letzten Besuch auf seinem Schreibtisch liegen lassen. Ich dachte, es wäre doch interessant zu wissen, welche Nummern er gespeichert hätte.«
    »Du hast Marske sein Handy geklaut?«
    »Ich sage doch, nur ausgeliehen. Es sind lediglich zwei Nummern gespeichert. Auf der ersten meldet er sich selbst zu Hause beziehungsweise sein Anrufbeantworter. Auf der zweiten Nummer bekam ich immer diese Frau mit ›Ja bitte‹, die sich aber nie mit ihrem Namen gemeldet hat. Nun wissen wir Bescheid, und ich kann das Handy gelegentlich zurückgeben.«
    Ich hätte es besser wissen sollen, war aber wieder einmal erstaunt über Celines Freude an zumindest ein wenig gesetzwidrigen Aktivitäten.
    »Laß uns verschwinden, ehe sie uns zusammen sehen.« Doch Celine machte einen besseren Vorschlag.
    »Warte. Wir werden die beiden ein bißchen beschatten. Vielleicht taucht

Weitere Kostenlose Bücher