Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
Vom Netzwerk:
Stuhl hin- und herrutscht. Sein Name ist Wachs. Und so leicht wird er auch zu behandeln sein.
    Ein Neureicher, der nach dem Krieg schnell mit Schrott zu Geld gekommen ist und nun alles, was ihm in die Finger kommt, aufkauft — nur, um es zu besitzen. Genau der Typ, der auch den Eiffelturm gerne in seiner Sammlung aufstellen würde! Nach der Devise: Mit Geld kann man alles kaufen!
    Lustig kann getrost zum zweiten Akt seiner Inszenierung schreiten. Er steht auf und schaut auf seine Uhr:
    »Meine Herren, wenn Sie mir nun folgen wollen... Ich denke, es ist an der Zeit, das Verkaufsobjekt zu besichtigen. Und, darf ich Sie noch einmal darum bitten, verhalten Sie sich ganz unauffällig! Am besten, sie sprechen überhaupt nicht. Sie hören aufmerksam zu, was ich sage, wie bei einer Führung. Wir verstehen uns, nicht wahr?«
     
    Eine halbe Stunde später parken zwei Luxuslimousinen — Leihwagen natürlich — unter dem West-Pfeiler des Eiffelturms. Auch wenn Lustig einen Hauch von Nervosität verspüren sollte, davon ist ihm nichts anzumerken! Dabei weiß er sehr wohl, wieviel er riskiert. Ein falsches Wort, und alles ist im Eimer. Er braucht nur an einen mißtrauischen Bürokraten zu geraten, und er sitzt heute Nacht schon hinter Gittern! Aber daran darf er jetzt nicht denken. Er muß sich einzig und allein auf seinen Auftritt konzentrieren. Und wie so oft hilft in dieser Situation nur Eines: Dreistigkeit.
    Gefolgt von den fünf stummen Händlern begibt er sich schnurstracks zum Kartenverkaufsschalter. Entschlossen schiebt er dem Aufsichtsbeamten ein sehr offiziell wirkendes Kärtchen in den französischen Landesfarben unter die Nase und erklärt in einem Ton, der keine Widerrede duldet:
    »Die Herren befinden sich in meiner Begleitung!«
    Das wirkt. Der Beamte läßt die sechs Herren passieren. Falls die Schrotthändler bisher noch Zweifel gehegt haben, spätestens in diesem Moment sind sie restlos überzeugt: Die französische Regierung veräußert den Eiffelturm, und dieser Mann ist befugt, den Verkauf durchzuführen.
    Nun wird das weltberühmte Monument besichtigt — allerdings auf ganz andere Weise, als es der tägliche Touristenstrom zu tun pflegt.
    Ohne jeglichen Sinn für die herrliche Aussicht laufen die Schrotthändler treppauf, treppab, beugen sich über die Balustraden, inspizieren fachmännisch die Qualität des Stahls, untersuchen die abgeblätterte Schicht des Anti-Rost-Belages, klopfen die tragenden Teile ab und befühlen die Schrauben — sie machen nur Stichproben, alle können sie beim besten Willen nicht prüfen. Immerhin sind es an die sieben Millionen und dazu kommen noch 2 500 000 Nieten!
    Kurzum, es sieht so aus, als ginge es um einen alten Gaul auf dem Pferdemarkt, den jeder eventuelle Käufer von oben bis unten abtastet.
     
    Lustig betrachtet das Ganze mit gemischten Gefühlen. Einerseits triumphiert er schon innerlich, andererseits kann er eine derartige Naivität gar nicht fassen. Gewiß, er spielt seine Rolle meisterhaft, aber trotzdem! ER würde sich niemals einen solchen Bären aufbinden lassen. Nun ja, er steht eben auf der anderen Seite des Gesetzes.
    Nach vollen drei Stunden steigen die sechs Männer von der ersten Plattform zu Fuß wieder hinunter. Lustig bittet jeden um ein Preisangebot innerhalb von drei Tagen, und alle gehen in gutem Einvernehmen auseinander.
     
    Nun kommt eine unangenehme Zeit für Monsieur Lustig. Er muß untätig abwarten, bis die Schrotthändler ihre Preisangebote schicken. Hoffentlich redet keiner! Gewiß, solange er noch nicht kassiert hat, könnte er sich immer noch aus der Affäre ziehen und behaupten, das Ganze sei nur ein riesiger Spaß gewesen. Aber immerhin, die gefälschten Briefe und Ausweise, die könnten ihn ins Gefängnis bringen. Lustig macht sich umsonst Sorgen. Alle sind versessen darauf, den weltberühmten, 7300 Tonnen schweren Eisenturm zu besitzen. Alle schweigen wie das Grab, und es läuft wie am Schnürchen.
    Schon nach zwei Tagen erhält Lustig drei Antworten. Die legt er gleich zur Seite. Im Grunde wartet er nur auf das Schreiben von Wachs, seinem schon am Anfang des Unternehmens auserwählten Opfer.
    Am dritten Tag bringt ihm ein Bote den ersehnten Brief: »Monsieur Loustigue, ich soll Ihnen diese Nachricht hier persönlich überbringen. Der Herr sitzt unten in der Halle und wartet auf Ihre Antwort.«
    »Danke. Er soll heraufkommen!«
    Als Wachs an der Türschwelle erscheint und wie ein dummer Junge dasteht, kann sich Lustig nur mit

Weitere Kostenlose Bücher