Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
Vom Netzwerk:
Mühe das Lachen verbeißen. Der kleine Mann zittert am ganzen Leib, sein Gesicht ist noch röter, als bei der ersten Begegnung und er ist so aufgeregt, daß er keinen vernünftigen Satz herausbringt:
    »Monsieur... bonjour, ich wollte es gleich wissen. Sind Sie mit meinem Angebot zufrieden? Der Turm, er ist schwer zu schätzen! Das Gewicht allein, das ist es wohl auch nicht!«
    Für Lustig ist es nun ein Kinderspiel. Er findet die passenden Worte und sein Opfer wiegt sich in Sicherheit: »Lieber Monsieur Wachs, bitte, treten Sie doch näher und nehmen Sie Platz! Ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen. Sie haben uns das höchste Angebot gemacht! Übrigens, wenn ich das anmerken darf, es ist mir eine Freude, denn Sie waren mir auf Anhieb sehr sympathisch. Ich gönne Ihnen den Eiffelturm!«
    Wachs löst den Knoten seiner Krawatte und wischt sich mit dem Ärmel über die Stirn. Sein Schrotthändler-Herz rast wie verrückt:
    »Mein Gott, ist das die Möglichkeit! Ist das wirklich wahr? Der wertvollste Stahl der Welt gehört mir! Sagen Sie das noch mal!«
    »Gern! Das heißt, wie Sie ja wohl wissen, ist für Geschäftsabschlüsse dieses Ausmaßes eine angemessene Vorauszahlung üblich. Ich hoffe, Sie haben daran gedacht?«
    »Ja, natürlich! Hier, bitte sehr! Nehmen Sie! 100 000 Gold-Francs... eine kleine Anzahlung.«
    Victor Lustig steckt mit wohlwollendem Lächeln das Geld ein und klopft seinem Geschäftspartner freundschaftlich auf die Schulter:
    »Meine Glückwünsche, Monsieur Wachs! Der Eiffelturm gehört Ihnen!«
    Schon am selben Abend bezahlt Lustig seine Hotelrechnung, verteilt großzügige Trinkgelder im Hotel und verläßt die Stadt.
    Am nächsten Tag wird dem armen Wachs endlich bewußt, was geschehen ist. Ja, er ist einem Hochstapler in die Falle gegangen! Und er kann nichts gegen ihn unternehmen. Gar nichts. Oder soll er etwa der Polizei klarmachen, daß er allen Ernstes geglaubt hatte, den Eiffelturm kaufen zu können? Entweder stände er als Lügner da, oder aber als der dümmste Mann Frankreichs, und seine Geschichte ginge durch die Weltpresse! So, oder so wäre er ruiniert!
    Monsieur Wachs, wie kann man nur den Eiffelturm kaufen?
     
    Lustig hatte wie immer nichts zu befürchten und konnte unbehelligt weiter seinen fragwürdigen Geschäften nachgehen. Das tat er auch. Fast zehn Jahre lang. Bis zu dem Tag, an dem er einen Fehler machte: Seinen ersten und damit seinen letzten. Krank vor Liebeskummer stahl er schlicht und ergreifend Geld — wie ein kleiner Taschendieb. Nur um seiner Mätresse zu imponieren! Mit fünfundfünfzig Jahren war es damals schwierig noch ein Frauenheld zu sein. Auch wenn man Geld hatte. Man mußte eben manchmal wirklich eine Heldentat vollbringen, welcher Art auch immer!
     
    Und so verbrachte Monsieur Lustig seine letzten Lebensjahre im Gefängnis. In seiner Zelle hat er eine Postkarte an die Wand geklebt, direkt neben seinem Bett. Eine Postkarte zum Träumen: Der Eiffelturm vor blauem Hintergrund, vor dem strahlenden Himmel von Paris. Darunter stand ganz schlicht: Verkauft für 100 000 Gold-Francs.
     

Der Sarg im Wasser
     
    Topeka — eine Provinzstadt im Mittleren Westen Amerikas.
    Im Theater herrscht atemlose Stille. Auf der Bühne stolziert ein Mann in einem paillettenbestickten schwarzen Umhang. Bei jedem Schritt läßt er ihn wie eine Fledermaus um sich herum flattern. Sein durchdringender Blick streift über das Publikum. Es knistert und prickelt im ganzen Saal — alle halten den Atem an, denn der große Augenblick ist gekommen: Der Magier wird jetzt seine Glanznummer vorführen. Eine sensationelle Nummer, einzigartig in der Welt — »Der Sarg im Wasser«! Seit Wochen schon ist die Vorstellung ausverkauft — allein wegen dieser Nummer.
    Emil Stavenger ist nicht irgendein Zauberkünstler, der sein Publikum mit den üblichen Mätzchen unterhält. Er bringt keine hüpfenden Kaninchen, keine weißen Tauben, keine aneinandergeknoteten bunten Tücher, die in allen Regenbogenfarben aus dem Mund herausfließen — nein. Nichts dergleichen. Bei Emil Stavenger, da wird auch nicht gelacht. Da graut’s einem.
    Rechts neben dem Zauberer steht ein großes, mit Wasser gefülltes Bassin aus Plexiglas, wie ein Riesenaquarium. Und daneben — ein schwarzer Sarg aus Ebenholz.
    Mit dramatischer Stimme verkündet der Zauberer — wie aus dem Jenseits:
    »Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten!«
    Es ist soweit. Ein Murmeln geht durch die

Weitere Kostenlose Bücher