Depesche aus dem Jenseits
technische Erläuterungen, und der Journalist schließt ironisch mit dem Satz: »Oder muß der Eiffelturm etwa verkauft werden?«
Victor Lustig springt auf wie vom Blitz getroffen! »Den Eiffelturm verkaufen? Das ist es? Das ist die Idee! Dieser Schreiberling hält sich wohl für sehr originell! Wenn der wüßte! Ich nehme ihn beim Wort!«
Der Gentleman läßt sich eine Flasche Champagner herauf bringen und leert zwei Gläser in einem Zug. Dann legt er sich aufs Bett und beginnt in aller Ruhe scharf nachzudenken. »Klar, ich verkaufe den Eiffelturm... aber... wie macht man das am besten? Wer könnte sich nur dafür interessieren? Wer könnte so naiv sein? In Amerika, da wär’s kein Problem. Ich wüßte schon, wem ich das Ding andrehen könnte. Aber hier in Frankreich? Nein. Unmöglich! Kein Franzose kauft den Eiffelturm! Das heißt doch! Und ob sie ihn kaufen werden!«
Schon nach einer Stunde steht sein Plan in allen Zügen fest — es ist ein genialer Plan. Lustig entscheidet sich für den einfachsten Weg: Der Eiffelturm soll ganz offiziell verkauft werden.
Von einem befreundeten Fälscher läßt er sich zuerst geeignetes Schreibpapier mit dem Briefkopf der Pariser Stadtverwaltung anfertigen. Damit lädt er unverfroren die fünf mächtigsten Schrotthändler Frankreichs vor, mit der Begründung, es handle sich um eine »Angelegenheit von äußerster Dringlichkeit und höchster Vertraulichkeit«.
Einige Tage später finden sich prompt alle fünf Schrotthändler im Hotel Grillon ein. Es herrscht gespanntes, feindseliges Schweigen im separat gelegenen Salon des Hotels, wo alle auf den Mann warten, der sie unter so geheimnisvollen Umständen zu sich gerufen hat. Von Zeit zu Zeit tauschen sie ein verkrampftes Lächeln aus, man kratzt sich an der Nase oder hüstelt verlegen, jeder bemüht sich, vor den anderen so gelassen wie nur möglich zu wirken. Und jeder fragt sich: »Wissen die andern vielleicht mehr als ich?« Doch keiner wagt, auch nur ein Wort zu sagen — »höchste Vertraulichkeit«.
Endlich betritt Victor Lustig den Salon. Oder besser gesagt, er tritt auf: Gehrock, helle Seidenkrawatte und eine Nelke im Knopfloch. Wirklich, er übertrifft sich selbst. Noch nie machte er einen so imposanten Eindruck, und die Schrotthändler verbeugen sich devot. Victor Lustig nickt kurz, läßt sich auf einen Sessel nieder, wirft einen lässigen Blick in die Runde und verleiht seiner Anwesenheit damit noch mehr Gewicht. Dann ergreift er endlich das Wort — er spricht ganz leise, obwohl sie allein in dem Salon sind:
»Meine sehr verehrten Herren, ich danke Ihnen, daß Sie unserer Einladung gefolgt sind. Sicherlich ist Ihnen bekannt, daß wir schon seit etlichen Jahren große Schwierigkeiten mit dem berühmtesten Bauwerk von Paris haben. Ich spreche vom Eiffelturm!«
Die fünf Schrotthändler spitzen die Ohren und halten die Luft an.
Nach einer kunstvollen Pause erklärt Lustig weiter — und seine Stimme klingt noch vertraulicher:
»Auf ausdrückliche Weisung des Staatspräsidenten sowie des Stadtratsvorsitzenden muß ich Sie um absolute... hören Sie um ab-so-lu-te Diskretion in dieser Sache bitten! Meine Herren, der Eiffelturm soll verkauft werden!«
»Der... der Eiffelturm?«
»Was sagen Sie da?«
»Das ist doch nicht Ihr Ernst!«
Der vierte Schrotthändler schweigt. Der fünfte fragt trocken:
»Was soll er kosten?«
»Meine Herren, das sollen SIE entscheiden! Die Stadtverwaltung hat mich mit dieser Angelegenheit betraut und mir Handlungsvollmacht gegeben. Ich gestehe jedoch, daß ich bisher wenig mit Schrotthandel zu tun hatte. Und wen sollte ich bei einem so außergewöhnlichen und dazu auch noch so streng geheimen Geschäft um Rat fragen? Doch nur Sie, meine Herren! Nur Sie! 7300 Tonnen Stahl, etwa 15000 Teile... Was meinen Sie? Wieviel? Ist einer von Ihnen interessiert?«
Stille. Ungläubiges Schweigen.
»Gut, meine Herren! Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Der Eiffelturm für den Meistbietenden!«
Victor Lustig lächelt erleichtert, während die Schrotthändler sich gegenseitig anglotzen. Seine Menschenkenntnis hat ihn noch nie im Stich gelassen. Aber trotzdem: Wer den Eiffelturm verkaufen will, muß sich seiner Sache sicher sein. Also hat er eingehende Erkundigungen über die fünf Männer eingeholt, bevor er sie zu diesem Treffen geladen hat. Er kennt sein Opfer. Er weiß genau, auf wen er am meisten Eindruck gemacht hat. Auf den kleinen Rotgesichtigen, der im Augenblick auf seinem
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