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Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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Nummer Eins — mit aalglatter Freundlichkeit:
    »Monsieur Grant, Sie wollen mir doch nicht erzählen, Sie könnten wegen dieses Verlustes Ihre Matrosen nicht entlohnen? Das kann ich mir nicht vorstellen! Ein Mann wie Sie! Gehört Ihnen doch eine ganze Flotte, wie Sie uns des öfteren...«
    »Das geht Sie nichts an!«
    »Gewiß, gewiß. Nun, was die Angelegenheit heute abend betrifft, da kann ich beim besten Willen nicht viel für Sie tun! Selbst wenn ich wollte — mir sind die Hände gebunden. In solchen Fällen entscheidet nur Monsieur Blanc, ob eine Ausnahme gemacht werden kann oder nicht.«
    »Dann rufen Sie ihn sofort an!«
    »Monsieur Blanc ist verreist. Sie müssen leider mit mir vorliebnehmen. Unser Haus ist selbstverständlich bemüht, den hochgeschätzten Gästen so weit wie möglich entgegenzukommen, wenn sie vor dem vollendeten Ruin stehen. Wir erstatten großzügig den Preis für eine Fahrkarte erster Klasse nach Nizza, aber ein solches Angebot an Sie grenzt an Beleidigung fürchte ich! Wer eine so prachtvolle Yacht besitzt, fährt kaum mit der Eisenbahn nach Nizza, nicht wahr, Monsieur Grant?«
    »Ich sage es zum letzten Mal: Geld zurück oder das ganze Haus fliegt in die Luft!«
    »Sie wollen die Bank sprengen? Nun, vielleicht gelingt es Ihnen bei Ihrem nächsten Besuch! Dieses Gebäude in Stücke zu schlagen, das dürfte Ihnen allerdings kaum gelingen!«
    »Und aus welchem Grund, lieber kleiner Herr Direktor, sollte das so schwierig sein?« Der Verlierer treibt es ein wenig zu weit und wird arrogant. Kein Problem — für solche Fälle empfiehlt die Hausordnung die Taktik Nummer zwei — beschwichtigenden Humor:
    »Monsieur Grant, es macht Freude, so mit Ihnen zu plaudern, wirklich! Aber bitte, stehen Sie nicht so herum, setzen Sie sich endlich! Ich möchte Ihnen etwas verraten — unter uns gesagt, dieses pompöse Gebäude gefällt mir auch nicht! Dieser Zuckerbäcker-Stil! Genau wie die Pariser Oper, fürchterlich! Nun, über Geschmack kann man nicht streiten. Aber dieses fragwürdige Kunstwerk hat wenigstes etwas für sich — es ist sehr stabil, sehr robust aus riesigen Quadersteinen gebaut... leider! Und es wird uns sicherlich alle beide überleben! Nicht einmal das Erdbeben vor einigen Jahren konnte es erschüttern. Es bekam nicht den kleinsten Riß!«
    Jetzt kocht der Deutsche vor Wut:
    »Ach so? Sie machen sich über mich lustig? Gut, von mir aus. Nun will ich Ihnen etwas verraten! Ich besitze eine ganze Flotte, ja, das stimmt, aber ich bin kein gewöhnlicher Reeder. Ich bin Pirat! Meine Privat-Yacht ist kein Vergnügungsdampfer, sondern ein getarnter Panzerkreuzer! Und mit seinen vier Kanonen großen Kalibers, lieber Herr Direktor, ist es für mich und meine Männer ein Kinderspiel, Ihre angebliche Festung so lange zu beschießen, bis sie in Schutt und Asche sinkt! Verstanden? Ich gebe Ihnen zwei Stunden Zeit! Sie werden diesen Camille Blanc schon ausfindig machen! Wenn nicht, in zwei Stunden... Peng! Verstanden?«
     
    Archibald Grant dreht sich auf den Absatz um, verläßt das Zimmer, wirft die Tür hinter sich zu und marschiert hocherhobenen Hauptes aus dem Spielcasino. Der Hausdetektiv folgt ihm diskret und berichtet kurz danach dem ratlosen Direktor, der deutsche Kapitän seit mit einem Beiboot zu seiner Yacht Garbino zurückgerudert und sein sogenanntes Piratenschiff habe direkt vor der Spielbank Anker geworfen.
    Blufft der Deutsche? Wahrscheinlich ja. Aber was ist, wenn er tatsächlich die Trümpfe in der Hand bzw. an Bord hat?
    Zehn Minuten bevor das Ultimatum abläuft, schleichen sich zwei Männer in Gehrock und Zylinder aus dem Spielcasino hinaus, laufen zum Steg und steigen in eine Nußschale, die sie zur Yacht Garbino bringt.
    Auch sie haben strenge Anweisungen erhalten. Die Devise heißt: Erstens unnachgiebig bleiben, zweitens nachgeben! Je nachdem.
     
    Archibald Grant bricht in schallendes Gelächter aus, als die beiden Gestalten an Bord auftauchen:
    »Bringen Sie mir mein Geld?«
    »Nein. Wir haben lediglich den Auftrag, Ihnen zu sagen, daß Sie niemanden mit Ihrem Auftritt beeindruckt haben. Der Direktor ist aber nicht nachtragend und läßt Sie wissen, daß Sie jederzeit wieder Ihr Glück in unserem Haus versuchen dürfen!«
    »Wie gütig, wie großzügig von ihm! Vielen Dank für die Einladung, meine Herren. Aber... das Spiel ist aus!« Der Kapitän pfeift auf den Fingern — ein kurzes Schrillen in der tiefen Stille der Nacht — und im Handumdrehen stellen sich 30 Mann

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