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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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überbringen.«
    Er beobachtete die Frau scharf, doch sie blickte weiter auf den nun dunklen Bildschirm.
    »Ihr Mann ist tot.«
    Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich unmerklich. Ihre Augen wurden ein wenig größer.
    Sie hatte Staschek genau gehört.
    »Haben Sie mich verstanden?«, fragte Staschek vorsichtig nach.
    Danner stellte sich vor den Fernseher. Die Frau sah durch ihn hindurch.
    »Ihr Mann hat versucht, ein Mädchen zu vergewaltigen, Frau Ahrend!«, sagte Danner scharf.
    Ich zuckte genauso zusammen wie Christa Ahrend.
    »Das Mädchen hat ihn getötet!«
    Ganz kurz sah sie Danner an.
    Doch sie hatte sich verraten!
    »Lila konnte sich wehren. Ihre Tochter konnte es nicht!«, wurde Danner zornig laut.
    Die blauen Augen von Evas Mutter füllten sich mit Tränen.
    »Sie schlucken Antidepressiva wie Bonbons! Sie wussten ganz genau, was mit Ihrem Mann los war!«
    Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und rann über ihre eingefallene Wange. Ihre Finger krallten sich in die blütenweiße Bettdecke.
    Ich trat an ihr Bett und legte meine Hand auf ihre. Sie war eiskalt.
    »Hat er Ihnen das auch angetan?« Bei meinen Worten begann ihr Blick vor Angst zu flackern. »Er kann Ihnen nichts mehr tun. Hat er Sie auch vergewaltigt?«
    Sie nickte und schluchzte tonlos.
    Staschek und Danner blieben stumm.
    »Schon lange?«, fragte ich heiser.
    Sie nickte wieder und verbarg das Gesicht in den bebenden Händen.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, was es bedeutete, einen Mann zu heiraten und dann festzustellen, dass er ein brutaler Tyrann war. Ich konnte mir nicht vorstellen, was es bedeutete, von seinem Ehemann vergewaltigt zu werden, und ich konnte mir nicht vorstellen, wie verzweifelt, einsam und ausgeliefert man sich fühlen musste, um es jahrelang hinzunehmen.
    Und ich war verdammt froh, dass ich es mir nicht vorstellen konnte!
    Christa Ahrend entzog mir ihre eiskalten, knochigen Finger. Noch immer liefen ihr Tränen über das Gesicht. Unendlich langsam richtete sie sich auf und setzte sich auf die Bettkante. Ihre dünnen Beine hingen schlaff herunter. Mit zitternden Händen zerrte sie das dicke Kopfkissen zur Seite.
    Sie zog das Laken von der Matratze.
    Dünne Papierstapel kamen zum Vorschein. Lose Zettel und ein paar Briefumschläge.
    Briefe!
    Mein Rücken versteifte sich.
    Briefe!
    Weinend drückte mir Evas Mutter die Zettel in die Hand.
    »Was ist das?«, fragte Danner.
    »Das sind Evas Briefe«, antwortete ich.
    »Evas was?«
    »Evas Briefe an Lena.«
    Christa Ahrend nickte.
    »Sie haben sie gefunden?«
    Sie nickte noch mal.
    Ich legte den Stapel auf den Nachtschrank und nahm den erstbesten losen Zettel in die Hand.
    Danner und Staschek traten hinter mich, um mir über die Schultern sehen zu können.
    Eva Ahrends Schrift war genauso perfekt wie alles andere an ihr, gleichmäßig, die Zeilen wie mit dem Lineal gezogen, obwohl das Papier keine Linien hatte. Die schwungvollen Buchstaben flossen ineinander, sie hatte die Wörter geschrieben, ohne abzusetzen. Liebe Lena, stand da,
    ich schreibe diesen Brief jetzt zum siebten Mal und noch immer habe ich keine Ahnung, wie ich anfangen soll.
    Ich weiß nicht, wie ich Dir sagen soll, dass ich Dich, seit wir uns kennen, belogen habe. Jeden Tag, ohne Ausnahme. Du hast mir immer alles erzählt und ich habe Dir immer alles verschwiegen. Selbst jetzt traue ich mich nicht, mit Dir zu sprechen, deshalb schreibe ich Dir noch einmal einen Brief.
    Vielleicht ist es der letzte, denn ich muss hier weg, so schnell wie möglich. Doch irgendwie hoffe ich, dass Du mir vielleicht verzeihen kannst und meine Freundin bleibst.
    Auch wenn ich Dir erst jetzt die Wahrheit sage: Das Schwimmen konnte ich nie leiden. Ich wäre lieber öfter mit Karo, Franzi und Dir tanzen gegangen. Auch das Lernen ist mir nie so leichtgefallen, wie ich behauptet habe. Ich habe immer so getan, als würden mir die Antworten auf die Fragen der Lehrer einfach so einfallen, dabei habe ich oft bis nach Mitternacht über den Büchern gesessen, um den Stoff der nächsten Stunde zu beherrschen.
    Ich habe nie zugegeben, wie sehr ich schuften muss für die guten Noten und die Medaillen.
    Aber noch schlimmer ist, dass ich Dir nie gesagt habe, warum ich das mache.
    Du hast mir immer alles erzählt. Von jedem Krach mit Deinem Vater, dem Schürzenjäger. Von dem Stress mit Deiner Mutter. Von Deinen bescheuerten Stiefbrüdern und Deinem Liebeskummer.
    Ich hätte hundert Gelegenheiten gehabt, alles zuzugeben. Ich war hundert Mal kurz

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