Der 13. Brief
ausweglos erschien.
»Ich hole Darmierzel.« Staschek ging zur Tür.
Ich faltete Evas siebten Brief zusammen und steckte ihn in die Tasche.
48.
Diesmal hatte Horsts übereifrige Kollegin Wegner noch mehr Fragen. Es war nach acht, als wir endlich das Polizeipräsidium verlassen durften.
Staschek hatte ein langes und unerfreuliches Gespräch mit der Schlampe führen müssen und dann war ein Reporter der Tageszeitung aufgetaucht. Gerade eben erst hatte Staschek angefangen, seinen Bericht zu tippen.
Mich hatte er mit einem Streifenwagen ins Krankenhaus schicken wollen, doch ich hatte keine große Lust, mir den Rest der Nacht von einem Assistenzarzt die Nieren abtasten zu lassen. Wenn ich innere Verletzungen gehabt hätte, wäre mir das inzwischen aufgefallen.
Alles, was ich wollte, war Tee mit Zitrone.
Doch vorher hatte ich noch etwas zu erledigen.
»Ich muss noch mal weg«, sagte ich zu Danner, als der die Schrottschüssel vor der Kneipe parkte.
Er musterte mich abschätzend.
»Ich bringe mich nicht um oder so, versprochen«, versicherte ich. »Molle kann mir schon mal einen Tee aufsetzen. Und du kannst ihm erzählen, was los war, denn ich glaube nicht, dass ich das noch mal hören will.«
Ich sah ihm an, dass er herauszufinden versuchte, ob ich ihm etwas vormachte. Er war nicht begeistert, mich ein paar Stunden nach dem gewaltsamen Angriff aus den Augen zu lassen.
Ich wartete ab.
»Brauchst du den Wagen?«
Verblüfft nickte ich.
Er warf mir den Schlüssel zu. »Wenn du in einer Stunde nicht wieder da bist, hast du sämtliche Bullen der Stadt am Hals, verstanden?«
Die Schrottschüssel war ein Monstrum, ein Relikt aus einer Zeit, in der es weder Bremskraftverstärker noch Servolenkung gegeben hatte. Das Lenkrad musste ich mit beiden Händen greifen, und wenn ich auf die Bremse trat, stand ich halb auf, um genug Druck auf das Pedal zu bringen. Die Kupplung war kaputt, in den dritten Gang konnte ich nur mit Zwischengas schalten und das Klappern irgendwo links hinten war mir vorher nicht aufgefallen.
Ich war heilfroh, als ich das Ungetüm vor dem modernen Wohnhaus zum Stehen bekam. Ich parkte einen guten Meter vom Bordstein entfernt, also mitten auf der Straße.
Einen Augenblick zögerte ich, bevor ich wahllos einige Klingelknöpfe drückte.
Die Nummer mit dem Supertelefontarif blieb mir erspart. Irgendein Trottel drückte den Summer, ohne über die Sprechanlage nachzufragen, wer vor der Tür stand.
Weil ich noch nie hier gewesen war, lief ich hinauf in den ersten Stock und las alle Namen an den fünf Wohnungstüren. Im vierten Stock fand ich die Klingel mit dem Namen Staschek.
Ich atmete noch einmal tief durch und zog die Ärmel meiner Jacke über meine schwarz verfärbten Handgelenke.
Dann klingelte ich.
Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis Lenas Mutter durch den schmalen Spalt lugte, den die Sicherheitskette zuließ. »Ja, bitte?«
»Entschuldigen Sie die späte Störung. Mein Name ist Lila, ich bin eine Schulkameradin von Lena.«
Freundin war ja nicht mehr der richtige Begriff.
»Lena!«, rief Lenas Mutter, während sie die Sicherheitskette entfernte. »Für dich!«
Lena war offensichtlich schon in der Nähe gewesen, denn sie nahm ihrer Mutter gereizt die Tür aus der Hand und öffnete selbst.
Wortlos starrte sie mich an.
»Ich bin gleich wieder weg«, versprach ich schnell. »Ich dachte nur, du solltest das hier bekommen.«
Ich hielt ihr Evas siebten Brief hin, den ich vorhin hatte mitgehen lassen. Weil in allen Briefen ungefähr das Gleiche stand, kam es bei der Beweisaufnahme auf einen mehr oder weniger nicht an, fand ich.
Lena starrte das Papier an, als hielte ich ihr ein mumifiziertes Nagetier entgegen.
»Stell dich nicht so an, der ist nicht von mir!«
Sie nahm den Brief und ich drehte mich um und ging.
49.
Als ich wenig später die Kneipe betrat, saß Danner am Tisch an der Theke.
Es war nicht viel los. Montagabends nach neun hockten nur ein paar Schnapsleichen am Tresen. Aus der Musikanlage dudelten die Wildecker Herzbuben oder etwas ähnlich Bescheuertes, ich hörte nicht hin.
Molle zapfte Bier.
Als er mich hereinkommen sah, ließ er das halb volle Glas stehen. Mit einer Tasse Tee und einer in Scheiben geschnittenen Zitrone kam er hinter dem Tresen hervor und stellte beides an meinem Platz auf den Tisch.
Ich musste lächeln.
Der Dicke musterte mich über die halbmondförmigen Gläser seiner Brille hinweg.
»Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich so tue, als wäre
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