Der 18 Schluessel
... sie flog zurück zur ersten Plage. Geschwüre? Das Bild der toten Studentin Guila auf dem Obduktionstisch kam ihr in den Sinn. Eliana klappte die Bibel zu. Hatte der Tod Giulia etwas damit zu tun gehabt? Ging es bei Danyals Entführung um Sünde? In der gesamten Apokalypse ging es um Sünde und darum, die Sünder zu bestrafen und die Gerechten zu belohnen.
Eliana spürte, wie ihre Nackenhaare sich aufstellten. Ordine Apocalisse? Elina hatte von ganzen Gruppen von Apokalyptikern gehört, die sich einer negativen Weltsicht verschrieben hatten und gemeinsam auf das Ende aller Tage warteten. Aber wie passte Danyal in dieses Puzzle? Er war ein Engel, und die Apokalypse steckte voller Engelsbilder und Symbole. Lukas hatte ihr eine Textstelle aufgeschrieben ... der Engel mit der Kette, der das Tier bezwingt ... das Wappen ... die Schlange, die Engelsschrift Alles war verworren, aber irgendwo musste die Antwort liegen ... doch so sehr Eliana auch versuchte, sie in den Zeilen zu finden. Es gelang ihr nicht.
12. Dezember
„... die Vervielfältigung und Veränderung von Genen, wie es die rote Gentechnik am Menschen vorsieht, ist eine Sünde ... der Mensch ist nicht geboren, um sich selbst zu erschaffen ... er greift damit in Gottes Schöpfung ein ... denn Gott wollte die Menschen so haben, wie er sie schuf ... das ist seine Botschaft an uns. Es ist ethisch falsch, sich in sein Werk einzumischen ...“
Eliana hatte den Kopf in ihre Hände gestützt und wartete darauf, dass ihr Gehirn sich abschaltete. Der Vortrag war ... wie das Wort zum Sonntag! Der Seminarleiter hatte sich in Rage geredet. Er lamentierte bereits über eine Stunde vor sich hin, ging vor den Studenten auf und ab. Dabei achtete er noch nicht einmal mehr darauf, ob jemand eine Frage hatte. Bereits zweimal hatte Eliana schon gegen das drängende Bedürfnis angekämpft, einfach aufzustehen und zu gehen. Warum musste sie sich den ganzen Unsinn noch anhören? Es war ohnehin egal, was Felice, die hinter ihr saß, dachte ... ihre dunklen Augen schienen Eliana Löcher in den Rücken zu brennen; sie wagte nicht einmal, sich zu Felice umzudrehen. Seit Eliana gestern Abend einen Teil des Rätsels gelöst zu haben glaubte, ärgerte sie sich noch viel mehr darüber, sich bei Felice derart unbedacht ins Aus geschossen zu haben. Sie war so nah dran gewesen, ihr Vertrauen zu gewinnen. Und Felice wusste etwas, Eliana war sich mehr als sicher.
Der Seminarleiter kam auf sein Lieblingsthema zurück: Abtreibung! Eliana litt still. Vielleicht wäre es an der Zeit, sich heimlich auf dem Unigelände umzusehen. Aber es war so groß ... wie sollte sie Danyal hier finden? Vielleicht war er auch gar nicht hier ...
„Hast du das gestern ernst gemeint?“
Eliana wandte sich um. Felices Augen funkelten wie kleine Hämatitperlen, was sie jedoch selbst nicht zu bemerken schien – Felice war weit fort in ihren Gedanken. Ihr Gesichtsausdruck hatte sich verändert – er war nicht mehr hart, sondern voller Trotz. War dies der ungezügelte Fanatismus, der sich hinter der Mauer aus Frömmigkeit verbarg? Felice besann sich und sah Eliana direkt an. „War es dir wirklich ernst mit dem, was du über die Apokalypse gesagt hast?“
Eliana nickte vorsichtig, ohne zu wissen, ob sie nicht wieder einen Fehler machte.
„Heute Abend. Wir treffen uns um zehn Uhr an der Ecke Via degli Aldobrandeschi und Via di Villa Troili. Pater Pascal sagt, dass es zu früh ist, dir zu vertrauen, aber uns läuft die Zeit davon. Vertraust du mir, Christine?“
Eliana blieb wiederum nur übrig, zu nicken.
„Gut.“ Felice beugte sich vor und flüsterte dann dicht an ihrem Ohr. „Erzähle niemandem davon, auch nicht Mary, Catalina oder Sandrine. Sie sind Lämmer. Aber wir Christine ... wir sind Krieger!“
Am Nachmittag wartete Eliana, bis Felice und die anderen gegangen waren, und machte sich auf den Weg zur Universitätsbücherei in der oberen Etage. Obwohl sie keinen Ausweis hatte, zeigte eine nette ältere Dame ihr den Weg durch die alphabetisch geordneten Reihen. Es roch ein wenig nach Staub und altem Leder, aber nicht unangenehm – der typische abgestandene Bibliotheksgeruch, der Geheimnisse hinter vergilbten Buchseiten versprach.
„Wonach suchen Sie denn?“, unterbrach die ältere Angestellte ihre Gedanken in glasklarem Englisch. „Für neue Studenten ist es am Anfang trotz der Ordnung oftmals schwierig, sich hier zurechtzufinden.“ Sie blickte Eliana erwartungsvoll an, und diese
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