Der 18 Schluessel
versuchte, so gut es ging im Stau voranzukommen. Seine Finger trommelten auf das Lenkrad, und er wirkte verkrampft. Felice fauchte ihn an, als er beim Wechseln auf eine andere Spur beinahe in ein anderes Auto gefahren wäre. Es gab wildes Gehupe und Flüche vom Fahrer auf der Nebenspur. „Verdammt, Sebastian! Reiß dich zusammen. Wenigstens Auto fahren wirst du doch wohl können!“
„Schon gut, reg dich ab“, gab er giftig zurück.
Eliana fühlte sich auf einmal nicht mehr wohl, aber aussteigen war nicht möglich – in doppelter Hinsicht. Das Hupen der Autos, das ruckartige Anfahren und Bremsen, bereitete ihr Kopfschmerzen und Übelkeit, und der Smog in den Straßen von Rom war unerträglich.
Sie brauchten fast eine halbe Stunde, bis sie endlich auf die Via Aurelia, die bereits in der Antike erbaut und später erweitert worden war, auffahren konnten. Auch hier staute sich, wie Felice es befürchtet hatte, der Verkehr. Dabei war es schon nach Acht Uhr. Nervös sah Felice auf ihre Armbanduhr. „Wir müssen um Zehn Uhr zurück sein. Wenn das so weitergeht, schaffen wir das niemals.“
„Ich kann daran nichts ändern.“ Sebastian klang gereizt. Eliana verstand, was Felice mit Sebastians Nervenschwäche gemeint haben musste.
Wohlwissend enthielt sie sich der Diskussion und sah aus dem Fenster. Sie musste abwarten und sich gedulden.
Im Zentrum blieb ihr Blick an der Silhouette des in einer Dunstwolke eingehüllten Kolosseums in einiger Entfernung haften. Eine jahrtausendelange Geschichte der Grausamkeit und des Schmerzes! Nun stand es da, hübsch beleuchtet bei Nacht ... eine Ruine, aber noch immer imposant. Überhaupt war der Stadtkern mit seinen antiken Gebäuden ein besonderer Anblick. Wäre Eliana zu einer anderen Zeit und aus einem anderen Grund nach Rom gekommen, die Stadt hätte sie mit ihrem historischen Flair für sich einnehmen können.
Als die Anspannung der sich endlos ziehenden Autofahrt unerträglich wurde, drehte Felice das Radio auf und ließ sich von der Stimme eines italienischen Schnulzensängers berieseln. Eliana fragte sich, ob das in den Augen der frommen Felice nicht eigentlich auch Sünde sein müsste.
Als sie endlich auf die Via Tiburtina abbogen und dann weiter in den Stadtteil San Basilo fuhren, entspannte sich auch Felice endlich etwas. Sie waren fast am Ziel. In San Basilo gab es keine antiken Gebäude oder Sehenswürdigkeiten. Der Stadtteil war erst in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts für Arbeiterfamilien errichtet worden. In dem besiedelten Teil des Randbezirks lagen Industriegebiete, es gab dunkle und schlecht beleuchtete Straßen. Trotz der schlechten Straßen trat Sebastian das Gaspedal wieder voll durch. „Wir sind gleich da“, sagte er und bog in eine enge Seitenstraße ein. Hohe Backsteinhäuser mit kleinen Fenstern drängten sich dicht aneinander. Ein paar Katzen flitzten aufgeschreckt durch das Scheinwerferlicht des Fiats. Ihre Augen schienen im Licht zu glühen, bevor Sebastian den Motor abstellte und sie zwischen den Häuserwänden verschwanden.
Felice wandte sich zu Eliana um. „Warte hier auf uns, Christine. Die Familie ist ängstlich. Es sind einfache Menschen. Sie kennen nur Bruder Sebastian und mich. Wir sind gleich wieder zurück.“
Eliana nickte und sah den beiden nach, wie sie ein Stück weit die dunkle Straße entlang gingen und sich dann in einen Hauseingang stellten. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet. Eine Frau erschien weinend im Arm ihres Mannes und jammerte irgendetwas auf Italienisch. Felice und Sebastian redeten gemeinsam mit ihrem Ehemann tröstend auf sie ein. Eliana entdeckte eine jüngere Frau, die sie in ihre Mitte genommen hatten und stützten – die angeblich besessene Tochter! Sie schien lethargisch. Felice musste sie stützen, während Sebastian weiter mit den Eltern sprach, denen es augenscheinlich schwerfiel, die Tochter in fremde Obhut zu geben. Trotzdem dauerte das Gespräch nur wenige Minuten, dann kamen Felice und Sebastian mit der jungen Frau zurück zum Auto. Die Tür wurde aufgerissen, das Mädchen neben Eliana auf die Rückbank geschoben.
„Sorge dafür, dass sie ruhig bleibt“, wies Sebastian Eliana an, dann stiegen sowohl er als auch Felice zurück in den Fiat. „Ich hoffe, ihre Eltern machen später keine Schwierigkeiten!“ Sebastian warf Felice einen besorgten Blick zu. „Es wird keine Schwierigkeiten geben, wenn du nicht wieder versagst“, stellte Felice unbarmherzig klar, woraufhin Sebastian
Weitere Kostenlose Bücher