Der 18 Schluessel
überlegte fieberhaft, wie sie ihr Anliegen möglichst unauffällig vortragen konnte. „Ich suche nach Schriften über Engel oder Bücher, die in der Schrift der Engel verfasst worden sind. Mich interessiert vor allem das Buch der Geheimnisse, ein mittelalterliches Grimoire, in dem Auszüge des originalen Buches Raziel, welches Adam ermöglichen sollte, ins Paradies zurückzukehren, enthalten sind.“
Die verblüffte Bibliothekarin blieb stehen und zog die Augenbrauen anklagend hoch. „Das ist eine außerkanonische Schrift, junge Dame. Eigentlich eher ein mittelalterliches Zauberbüchlein! Sie befinden sich hier an einer katholisch päpstlichen Universität.“
Der Vorwurf war nicht zu überhören, doch Eliana ließ sich nicht beirren. „Diese Themen gehören zu meiner Diplomarbeit. Es gibt Hinweise darauf, dass das Buch Raziel in seiner Ursprungsform bis ins Mittelalter tatsächlich existiert hat.“
„Selbst wenn das wahr wäre ... wenn es in Engelsschrift verfasst ist, könnte es ohnehin niemand lesen. Aber wenn Sie sich nun mal ein solch ...“, sie zog die Augenbrauen missbilligend hoch, „ ... exotisches Thema für ihre Diplomarbeit ausgesucht haben ... “ Unwillig winkte sie ab und führte Eliana schließlich in eine der hintersten Reihen der Bibliothek, wo die Bibliothekarin auf eine Leiter kletterte und einen dicken in Leder gebundenen Folianten aus dem Regal zerrte. „Dies hier ist ein Werk über verschwundene Schriften mit Listen, die Aufschluss darüber geben, in welchem Familienbesitz sich welche Schriften zu welcher Zeit fanden. Die meisten von diesen Zauberbüchern wurden konfisziert, die Besitzer angeklagt und nicht selten zum Tode verurteilt – besonders in der Zeit der Inquisition. Die Einträge reichen zurück bis ins dreizehnte Jahrhundert. Natürlich ist es nicht als umfassendes Werk zu verstehen, denn wie Sie sich vorstellen können, gingen die Familien nicht damit hausieren, wenn sie sich im Besitz brisanter Schriften befanden – schon allein, um einer Anklage wegen Ketzerei zu entgehen. Viele Schriften dürften deshalb erst gar nicht von offizieller Seite erfasst worden sein.“ Sie musterte Eliana mit offener Geringschätzung. „Ihr Zauberbüchlein finden Sie wahrscheinlich deshalb eher im Internet.“ Sie wies auf die Computerecke im hinteren Teil der Bibliothek und verabschiedete sich kühl.
Eliana lächelte, als könne nichts sie aus der Ruhe bringen, nahm den dicken Folianten, auf dem eine leichte Staubschicht lag, und setzte sich an einen Tisch. Wahrscheinlich würde sie genauso werden, wenn sie noch ein paar Jahre bei Edel und Berns arbeitete. Aber das war ohnehin vorbei ... wie ihr gesamtes gut sortiertes Leben.
Eliana klappte das Buch auf. Anscheinend interessierten sich wenige Studenten dieser Universität für außerkanonische Schriften. Sie atmete erleichtert auf, als sie die erste Seite aufschlug und sah, dass das Werk in Englisch übersetzt worden war. Geflissentlich überschlug sie alle Einträge vor 1349 – dem Jahr, in dem Danyal das Buch in den Brunnen geworfen hatte. Die Listen des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts waren recht übersichtlich, wohingegen das fünfzehnte und sechzehnte Jahrhundert von Einträgen angeblich schwarz magischen Schriften, Hexenbüchern und außerkanonischen Prophezeiungen nur so wimmelte. Es gab verschiedene obskure Zauberbüchlein, die im Besitz einer Gräfin von Passel gewesen waren, Grimoiren und okkulte Schriften, die bis zum siebzehnten Jahrhundert am französischen Königshof in Umlauf gewesen sein sollten und von Höflingen für satanische Rituale genutzt wurden. Eliana konzentrierte sich auf Schriften, die sich mit Engeln befassten. Es gab einen Eintrag für eine englische Kaufmannsfamilie, die ins Zeitschema passte, doch das Thema des Buches behandelte anscheinend eher Kräuterkunde und Salben für allerlei Krankheiten. Nach etwa einer Stunde erfolglosen Suchens rieb Eliana sich über die Augen und blätterte weiter, ihre Hoffnung schwand langsam aber sicher. Es wäre tatsächlich ein allzu glücklicher Zufall gewesen, wenn jemand das Buch Raziel aus dem Brunnen gezogen hätte und dann noch in eine öffentliche Liste eingetragen. Sie musste es endlich einsehen. Das Buch war zerstört worden ... Eliana wusste selbst nicht, weshalb sie so penetrant danach suchte, wo sie sich lieber darum bemühen sollte, Danyal zu finden. Aber eine innere Stimme sprach ständig auf sie ein – was wäre alles möglich, wenn das Buch
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