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Der 3. Grad

Der 3. Grad

Titel: Der 3. Grad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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angestrengt, in dem Getöse der Flammen etwas zu hören. Die brennenden Schmerzen in meinem Gesicht waren kaum auszuhalten.
    Da war es wieder. Kein Zweifel, ich hatte richtig gehört.
    Da weinte jemand.
3
    Ich sog die heiße Luft in meine Lungen und drang tiefer in das Haus ein, das jeden Moment über mir zusammenbrechen konnte. »Wo sind Sie?«, rief ich, während ich über brennende Trümmer stolperte. Ich hatte jetzt echte Angst, nicht nur um den Menschen, dessen Weinen ich gehört hatte, sondern auch um mich.
    Ich hörte es wieder – ein leises Wimmern, das aus dem hinteren Teil des Hauses zu kommen schien. Ich ging darauf zu. »Ich komme!«, rief ich. Links von mir krachte ein hölzerner Träger zu Boden. Je weiter ich ging, desto schwieriger wurde es. Ich erblickte einen Flur, von dessen Ende die Laute zu kommen schienen. Von der Decke zwischen dem Erdgeschoss und dem zerstörten ersten Stock waren nur noch ein paar bedenklich schwankende Fetzen übrig.
    »Polizei!«, schrie ich. »Wo sind Sie?«
    Nichts.
    Und dann hörte ich das Weinen erneut. Näher als zuvor. Ich hielt mir das Sweatshirt vors Gesicht und taumelte den Flur entlang.
Komm schon, Lindsay... Nur noch ein paar Schritte
.
    Ich trat durch eine Tür, aus der Rauchwolken schlugen.
Mein Gott, es ist ein Kinderzimmer!
Oder vielmehr das, was davon übrig war.
    An einer Seite stand ein umgekipptes Bett mit der Oberseite zur Wand, bedeckt mit einer dicken Staubschicht. Ich rief, und da hörte ich den Laut wieder. Ein gedämpftes Geräusch, wie ein leises Husten.
    Das Bettgestell war glühend heiß, doch es gelang mir, es ein Stück von der Wand wegzurücken.
O mein Gott
... Ich erkannte die schemenhaften Konturen eines Kindergesichts.
    Es war ein kleiner Junge. Vielleicht zehn Jahre alt.
    Das Kind hustete und weinte. Es konnte kaum sprechen. Sein Zimmer war unter einer Schuttlawine begraben. Ich konnte nicht länger warten. Wenn ich zögerte, würden die Brandgase allein uns schon töten.
    »Ich hol dich hier raus«, versprach ich dem Kleinen. Dann schob ich meinen Körper zwischen Bett und Wand und stemmte mich mit aller Kraft dagegen, bis die Lücke groß genug war. Ich fasste den Jungen an den Schultern und betete, dass ich ihn dabei nicht verletzen würde.
    Mit dem Jungen im Arm stolperte ich durch die brennenden Trümmer. Alles war voller Rauch, beißend und giftig. Ich sah einen Lichtschein an der Stelle, wo ich hereingekommen zu sein glaubte, aber ich war mir nicht sicher.
    Ich hustete. Der Junge klammerte sich mit eisernem Griff an mir fest. »Mommy, Mommy«, schluchzte er. Ich drückte ihn, um ihm zu versichern, dass ich ihn nicht sterben lassen würde.
    Dann schrie ich in Richtung Ausgang und betete nur, dass jemand mich hören würde: »Bitte, ist da draußen irgendwer?«
    »Hier!«, hörte ich eine Stimme aus der Schwärze, die uns einhüllte.
    Ich stolperte über Trümmerteile, wich aufflackernden neuen Brandherden aus. Jetzt sah ich den Ausgang. Sirenen, Stimmen. Die Gestalt eines Mannes. Ein Feuerwehrmann. Behutsam nahm er den Jungen aus meinen Armen. Ein zweiter Feuerwehrmann legte mir den Arm um die Schultern. Wir traten ins Freie.
    Und dann war ich draußen. Ich fiel auf die Knie und saugte gierig die kostbare Luft ein. Ein Sanitäter hüllte mich vorsichtig in eine Decke. Alle waren so gut, so professionell. Ich ließ mich gegen ein am Straßenrand parkendes Löschfahrzeug sinken. Beinahe hätte ich mich übergeben. Und dann übergab ich mich tatsächlich.
    Irgendjemand legte mir eine Sauerstoffmaske auf den Mund, und ich atmete mehrmals tief ein. Ein Feuerwehrmann beugte sich über mich. »Waren Sie drin, als es explodierte?«
    »Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin reingegangen, um zu helfen.« Ich konnte kaum sprechen oder einen klaren Gedanken fassen. Ich öffnete meine Gürteltasche und zeigte ihm meine Dienstmarke. »Lieutenant Boxer«, sagte ich hustend. »Mordkommission.«
4
    »Mir fehlt nichts«, sagte ich und löste mich aus den Armen des Sanitäters, um auf den Jungen zuzugehen, der bereits auf eine fahrbare Trage geschnallt worden war. Sie schoben ihn gerade in einen Rettungswagen. Die einzige Regung in seinem Gesicht war ein leises Flackern der Augen. Aber er lebte. Mein Gott – ich hatte ihm das Leben gerettet.
    Auf der Straße hatten Polizisten einen Kordon gebildet, um die Schaulustigen zurückzudrängen. Ich erkannte den rothaarigen Jungen mit dem Kickboard, umringt von anderen entsetzten Gesichtern.
    Plötzlich

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