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Der 3. Grad

Der 3. Grad

Titel: Der 3. Grad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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zurückzutrotten. Sie winkte mir zu. »Wir sehen uns in der Arbeit.«
    »Und wie ist es mit dir?« Ich kniete mich vor Martha. »Du siehst mir so aus, als wäre ein Mochaccino jetzt genau das Richtige.« Ich nahm sie an die Leine und trabte auf das Starbucks-Café an der Chestnut Street zu.
    Die Marina war immer schon eine meiner Lieblingsecken von San Francisco. Gewundene Sträßchen mit bunten, restaurierten Wohnhäusern. Familien, das Geschrei der Möwen, die Seeluft, die von der Bucht hereinweht.
    Ich überquerte die Alhambra Avenue, und mein Blick fiel auf ein wunderschönes dreistöckiges Wohnhaus, das ich jedes Mal bewundern musste, wenn ich hier vorbeikam. Handgeschnitzte Fensterläden, das Dach mit Terrakottaziegeln gedeckt – man kam sich vor wie am Canale Grande. Ich hielt Martha fest, um ein Auto vorbeizulassen.
    Das sind meine Erinnerungen an diesen Moment. Das Viertel, das sich noch den Schlaf aus den Augen rieb. Ein rothaariger Bursche mit einem FUBU-Sweatshirt, der mit seinem Kickboard Tricks übte. Eine Frau mit Latzhose, die mit einem Bündel Kleider im Arm um eine Ecke gehastet kam.
    »Auf geht's, Martha.« Ich zog an ihrer Leine. »Komm, ich kann den Mochaccino schon riechen.«
    Und dann verschwand das dreistöckige Haus mit dem Terrakottadach plötzlich in einem Feuerball. Ich schwör's – es war, als hätte San Francisco sich urplötzlich in Beirut verwandelt.
2
    »O mein Gott!«, stieß ich hervor, als der heiße Luftstoß und umherfliegende Trümmerteile mich fast zu Boden rissen.
    Ich drehte mich weg und ließ mich auf die Knie fallen, um Martha vor den Druckwellen der Explosion zu schützen, die uns wie aus einem gewaltigen Backofen entgegenschlugen. Ein paar Sekunden später drehte ich mich wieder um und rappelte mich auf. Gütiger Himmel – ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Das Haus, das ich gerade noch bewundert hatte, war jetzt eine Ruine. Das gesamte Obergeschoss war in einem Flammenmeer verschwunden.
    In diesem Augenblick wurde mir klar, dass vielleicht noch Menschen im Haus waren.
    Ich band Martha an einem Laternenpfahl an. Nur fünfzehn Meter von uns entfernt loderten die Flammen. Ich rannte über die Straße auf das brennende Wohnhaus zu. Das Obergeschoss war komplett zerstört – wer sich dort aufhielt, hatte keine Chance gehabt.
    Hektisch kramte ich in meiner Gürteltasche nach dem Handy und wählte 911, die Notrufnummer. »Hier spricht Lieutenant Lindsay Boxer vom San Francisco Police Department, Dienstnummer zwei-sieben-zwei-eins. An der Ecke Alhambra/ Pierce hat es eine Explosion gegeben. Ein Wohnhaus. Wahrscheinlich mit Toten oder Verletzten. Brauche sofort Notarzt und Feuerwehr. Schicken Sie die Jungs los!«
    Ich wartete die Antwort nicht ab, obwohl die Vorschriften es verlangten – aber wenn da drin noch irgendjemand am Leben war, durfte ich keine Zeit verlieren. Ich riss mir das Sweatshirt vom Leib und band es mir locker vors Gesicht. »Um Gottes willen, Lindsay«, stieß ich hervor, dann hielt ich die Luft an und stürmte in das brennende Haus.
    »Ist hier irgendjemand?«, schrie ich und musste sofort würgen, als der dichte graue Rauch mich im Hals kratzte. Ich spürte die enorme Hitze in den Augen und auf dem Gesicht, und wenn ich den schützenden Stoff auch nur ein Stück herunterzog, tat es gleich höllisch weh. Über mir hing eine Wand aus brennenden Rigipsplatten.
    »Polizei!«, schrie ich erneut. »Ist hier irgendjemand?«
    Der Rauch schien meine Lungen wie mit Rasierklingen zu zerfetzen. Das Prasseln der Flammen verschluckte jedes andere Geräusch. Plötzlich verstand ich, wieso Menschen, die bei einem Brand in einem oberen Stockwerk gefangen sind, lieber in den Tod springen, als noch länger in der unerträglichen Hitze auszuharren.
    Ich schirmte meine Augen ab und kämpfte mich durch die wallenden Rauchwolken vor. Ein letztes Mal brüllte ich: »Ist hier noch jemand am Leben?«
    Ich konnte nicht weitergehen. Meine Augenbrauen waren versengt. Ich begriff, dass ich hier drin sterben könnte.
    Ich machte kehrt und steuerte den Ausgang an, wo Licht und kühle Luft auf mich warteten. Plötzlich erblickte ich zwei liegende Gestalten – einen Mann und eine Frau. Sie waren offensichtlich tot; ihre Kleider standen in Flammen.
    Mir drehte sich der Magen um, und ich blieb stehen. Aber ich konnte nichts mehr für sie tun.
    Und dann vernahm ich plötzlich einen erstickten Laut. Ich wusste nicht, ob ich richtig gehört hatte. Ich hielt inne und versuchte

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