Der 48-Stunden-Mann (German Edition)
War er verheiratet gewesen? Und wenn nicht, warum hatte Louise ihn dann nicht geheiratet? Warum war sie zur Adoption freigegeben worden?
Travis erklärte Nick etwas, aber Hannah hörte nicht hin. Sie sah sich im Zimmer um und betrachtete die glückliche Familie. Die Erwachsenen saßen in Gruppen zusammen, unterhielten sich und lachten. Die Kinder spielten, und der Lärmpegel stieg, weil jeder gehört werden wollte. Es war das Chaos in seiner angenehmsten Form.
Dies war ihre Familie. Louise war hiergeblieben und hatte sich ein Leben aufgebaut. Warum hatte sie ihr Kind weggegeben?
So müde und verstört sie im Augenblick auch war, sie durfte sich keine Schwäche erlauben. Sonst würde ihr am Ende noch eine unpassende Bemerkung herausrutschen oder, was schlimmer wäre, sie könnte in Tränen ausbrechen.
Nick streichelte ihren Nacken. Die Berührung war zugleich tröstlich und erotisch. Hannah lehnte sich an ihn und legte ihre linke Hand auf sein Bein. Seine Muskeln waren hart wie Eisen, sein Körper fühlte sich warm an. In dieser unkontrollierbaren Situation war er für sie der einzig sichere Bezugspunkt, und im Augenblick war es ihr völliggleichgültig, ob er ein Krimineller war, ein langes Vorstrafenregister hatte und vielleicht sogar ein Tattoo. Und das geschah ausgerechnet ihr, die niemals jemandem vertraute. Sie wollte gar nicht daran denken, wie sehr sie das später bereuen würde.
„Hey, Hannah.“ Der zweite Bruder in Uniform gesellte sich zu ihnen. „Ich bin Kyle.“ Er sah Travis sehr ähnlich, vielleicht war er eine Spur attraktiver. Offensichtlich handelte es sich hier um einen Genpool, der es mit seinen Männern gut meinte.
Hannah warf einen Blick auf die Dienstmarke an seiner Brust. „Du bist auch beim Sheriffs Department in Glenwood?“
„Klar.“ Kyle zog sich einen der gestreiften Ohrensessel heran und setzte sich. „Früher habe ich in San Francisco gearbeitet, aber dann hat Travis mir einen Job hier in Glenwood angeboten. Ich war froh, wieder zu Hause zu sein.“
Travis zuckte mit den Schultern. „Ich konnte nicht mehr mit ansehen, wie mein kleiner Bruder in der großen Stadt nur Dummheiten macht.“
„Jetzt ist Hannah die Jüngste“, stellte Kyle zum zweiten Mal klar. Offenbar freute ihn das enorm. „Wir haben eine kleine Schwester.“
„So klein fühle ich mich gar nicht“, bemerkte Hannah.
Kyle beugte sich im Sessel vor. „Ja, schon, aber wir sind noch größer. Wenn dich der Kerl da ärgert, musst du uns nur Bescheid sagen und wir kümmern uns um ihn.“
Alle lachten.
„Legt euch nicht mit meinem Schwiegersohn an“, warf Louise ein. „Nick sieht sehr nett aus.“
Mit einem Augenzwinkern erwiderte Travis: „Ich weiß nicht, Louise. Irgendwie ist er doch ziemlich blass. Sieht aus, als käme er nie an die Sonne.“
Nicks nur leicht gebräunte Haut und sein blondes Haar unterschieden sich in der Tat von allen anwesenden Männern. Aber der Kontrast gefiel Hannah.
„Vielleicht sollten wir ihn mal an die frische Luft bringen“, meinte Kyle.
„Denkt nicht mal daran.“ Warnend hob Hannah eine Hand. „Mir gefällt er so, wie er ist.“
Immer noch streichelte Nick ihr den Nacken. Ein wohliger Schauer nach dem anderen fuhr von ihren Schultern bis in die Zehenspitzen. Sie fühlte, dass er sie ansah, wagte aber nicht, seinem Blick zu begegnen. Sie wollte gar nicht wissen, was er dachte. Wie die Dinge standen, würde sie eine Menge zu bereuen haben. Dennoch konnte sie das Risiko nicht eingehen, sich so bald von ihm zu lösen. Lieber Gott, warum hatte sie nicht daran gedacht, dass Louise eine große Familie haben könnte? Und warum hatte sie sich so gesträubt, als Nick sie gebeten hatte, ihn mit ein paar persönlichen Informationen zu versorgen? Das hatte sie nun von ihrer dummen Unabhängigkeit und Dickköpfigkeit. Sie hasste es, in irgendeiner Form auf jemanden angewiesen zu sein.
Auch die beiden anderen Brüder schlenderten nun herbei, und schon bald hatten sich fast alle Erwachsenen um ihr Sofa geschart. Weitere Sitzgelegenheiten wurden herangerückt, bis alle einen Platz gefunden hatten und aufmerksam zuhörten.
Allmählich begriff Hannah, wer wer war. Jedenfalls soweit es ihre Halbbrüder betraf. Travis und Kyle schienen am lockersten zu sein. Bei Craig zeigte sich ein wenig Grau an den Schläfen, und Jordan war eher schweigsam.
„Habt ihr auch einen Job?“, fragte Travis.
Nick setzte schon zu einer Antwort an, als Hannah ihm diskret den Ellbogen in die Seite
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