Der 48-Stunden-Mann (German Edition)
vielleicht bin ich das sogar, und genau das ist es, was Sie vor allem an mir reizt. Ein Drink. Was könnte das schaden?“
Während er weiterredete, führte er sie zu seinem dunkelblauen Mercedes Cabriolet, eine der Zusatzleistungen bei diesem Einsatz. Natürlich würde ihm der Wagen wenig nützen, wenn er am Ende starb. Noch zwei Wochen, und der Job wäre erledigt. Dann konnte er in sein normales Leben zurückkehren, und einen Nick Archer würde es nicht mehr geben.
An der Beifahrerseite blieb er stehen und zog die Schlüssel aus der Tasche.
Hannah musterte den Wagen mit kritischem Blick. „Ist der gestohlen?“
„Wenn ich jetzt Nein sage, werden Sie dann Ja sagen?“
„ Ist er es?“
Er öffnete die Tür und deutete auf den hellgrauen Ledersitz. Dabei war er absolut darauf gefasst, dass sie ihm eine Ohrfeige verpassen und ihm ein paar unzüchtige Schimpfnamen an den Kopf werfen würde, um dann zu ihrer praktischen Limousine zu stolzieren, die auf der anderen Seitedes Parkplatzes stand. In Erwartung des Schlags spannte er sogar schon die Muskeln.
Der aber erfolgte auf eine völlig andere Weise.
Es war der pure Schock. Ein Schock, der ihn völlig betäubte, als sie murmelte: „Ich bin verrückt geworden“, und auf den Sitz in seinem Wagen rutschte.
Sorgfältig schloss Nick die Beifahrertür und fluchte im Stillen. Das war mal wieder typisch. Just an dem Tag, an dem er aus der Stadt verschwinden musste, beschloss die Eiskönigin zu schmelzen.
Hannah tippte mit der Zunge an den Rand ihres Glases und ließ das Salz im Mund zergehen. Sie betete darum, nicht würgen zu müssen – oder Schlimmeres – und griff nach dem kleinen Glas Tequila, das neben ihrem Margarita stand. In einem einzigen Schluck kippte sie es hinunter.
Es brannte wie Feuer, und sie rang hörbar nach Luft, musste aber nicht husten. Dann blinzelte sie die Tränen weg, die ihr in die Augen geschossen waren. Schon besser, dachte sie erleichtert, als das Feuer sich in eine beinahe angenehme Wärme verwandelte.
„Alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte Nick und runzelte leicht die Stirn.
„Alles bestens“, brachte sie zustande, wobei ihr die Stimme alkoholbedingt nur leise in der Kehle kratzte.
Nick lehnte sich auf dem roten Sitz in ihrer Nische zurück. „Die Runde geht an Sie, Hannah. Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass Sie Kurze trinken könnten.“
Wie um ihm zu sagen, dass es eine Menge gab, was er nicht von ihr wusste, zuckte sie mit den Schultern. Eigentlich wusste er gar nichts von ihr, aber was seinen letzten Satz betraf, hatte er recht. Vor diesem Abend hatte sie so etwas noch nie getrunken. Und das wird sich auch wohlkaum wiederholen, sinnierte sie, während der Alkohol ihr wie eine Welle in den Kopf schoss und den Raum leicht ins Wanken brachte. Gewöhnlich beschränkte sie sich auf ein einziges Getränk wie Weißwein oder eher noch Schorle. Zu besonderen Gelegenheiten gönnte sie sich ein Glas Champagner. Aber heute war es anders. Sie war bei ihrem zweiten Margarita und hatte sich dazu noch jeweils einen Tequila pur bestellt.
Wie hieß das noch? Sich Mut antrinken? Da brauchte sie schon eine Menge und obendrein so viel wie möglich aus jeder anderen Quelle, die ihr das bieten konnte. Wenn sie wirklich tun wollte, woran sie dachte, würde sie jedes Quäntchen Wagemut aufbieten müssen, das sie besaß. Und wenn nicht, würde sie einer alten Frau das Herz brechen. Sie saß sozusagen zwischen Baum und Borke. Manchmal war das Leben einfach nicht fair.
Die Kellnerin, die ihnen die Cocktails serviert hatte, kam an ihren Tisch und fragte, ob sie noch etwas trinken wollten.
Die Frage war an sie beide gerichtet, aber die Aufmerksamkeit der Frau galt eindeutig Nick. Hannah konnte ihr keinen Vorwurf machen. Sie selbst hatte häufiger Schwierigkeiten, andere Personen wahrzunehmen, wenn er in der Nähe war. Ganz als wäre die Welt in Dunkel getaucht und Nick die einzige Lichtquelle. Dass er auch der Kellnerin auffiel, bedeutete nur, dass die Frau einen guten Geschmack besaß.
Hannah widerstand dem Bedürfnis, stöhnend den Kopf auf die Hände zu legen. Wenn sie anfing, positiv über Nick Archer zu denken, musste sie betrunkener sein, als sie glaubte. Er war nichts weiter als ein ganz gewöhnlicher Krimineller. Oh, man hatte ihn noch nie wegen irgendwas verhaftet … zumindest war keiner der Vorwürfe aufrechterhalten worden. Sein polizeiliches Führungszeugnis warlupenrein. Aber solche Typen kannte sie. Die waren
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