Der 7. Lehrling (German Edition)
Spannung in der Luft wurde so stark, dass Quentin die Haare hochstanden.
„Komm schnell ins Haus, gleich geht’s fürchterlich los!“, rief Finja Quentin zu, der wie angenagelt mitten im Hof stand und fasziniert seine Umgebung betrachtete.
Ein riesiger Blitz direkt über ihren Köpfen zerriss die Wolken und ließ alle Schatten in grellweißem Licht verblassen. Nur einen Wimpernschlag später krachte es so laut, dass Quentin seiner Überraschung und plötzlichen Angst mit einem gellenden Schrei Luft machte, den man allerdings im Getöse des nun einsetzenden Gewitters nicht hören konnte. Wenigstens riss der Donner ihn aus seiner Erstarrung. Immer noch fast blind vom grellen Licht des Blitzes rannte er zum Hauseingang und verschwand gerade noch rechtzeitig darin, bevor die hinter ihm niedergehende, schier undurchsichtige Regenwand auf den Boden klatschte.
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Sie warteten ab, bis das Schlimmste vorüber war. Dann warfen sie sich Mäntel aus gewachstem Stoff über und traten hinaus in den Regen. Während sie das Pferd und den Esel einspannten, rief Falk Medards Vater zu: „Wenigstens wird uns niemand sehen. Bei diesem Wetter ist sicher kein Mensch vor der Tür!“
Medards Vater nickte nur. Allen fiel der Abschied von zuhause schwer. Traurig und unsicher, was die nächsten Tage bringen würden, zogen sie kurz vor Mitternacht im Schutze von Regen und Dunkelheit in Richtung Westen aus der Stadt.
Im Süden erreichte einige Stunden später die Vorhut der
Horden
den Rand der Stadt und stieß auf die Verteidigungslinie der Bewohner. Im blassgrauen Licht des neuen Tages begann der Kampf um Balsberg.
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Aminas Tage hatten mittlerweile einen festen Rhythmus. Nach einem kurzen Frühstück trafen sich die
Vierzehn
in der Bibliothek, und Amina begann nach dem zuvor besprochenen Muster Kontakt zu den Suchern aufzunehmen, Neuigkeiten zu erfragen und Informationen von anderen weiterzugeben.
Sie war sich der Wichtigkeit ihrer Aufgabe durchaus bewusst. Und es machte sie stolz, an der Suche auf diese Weise teilnehmen zu können, auch wenn es oftmals bis lange in die Nacht dauerte. Sie war das Herz des Informationsnetzes, mit dem die Magier quer durch das ganze Land verbunden waren.
Am Abend zuvor hatten sie sich geeinigt, zu den Suchern außen auf den
Speichen
nur noch ab und zu Kontakt aufzunehmen. Wichtiger war im Moment, mit denjenigen regelmäßig in Verbindung zu treten, die sich in der Nähe der
Horden
befanden, weil sie in unmittelbarer Gefahr waren. Außerdem mussten sie so genau wie möglich wissen, wo sich die
Horden
aufhielten, um alle im Umkreis rechtzeitig warnen zu können.
Die fremden Krieger waren gestern am letzten Sucher südlich von Balsberg vorbeigezogen. Es war allen mit Schaudern klargeworden, was heute passieren würde.
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Der Widerstand, den die Bürger von Balsberg leisteten, war zäh. Allerdings waren die Stadtbewohner nur mit allen möglichen zu Waffen umfunktionierten Werkzeugen ausgestattet, während die Angreifer gut ausgebildet, diszipliniert und bis an die Zähne bewaffnet waren. Die Balsberger hatten von Anfang an keine echte Chance.
Die fremden Krieger waren in Keilformation an mehreren Stellen durch die Verteidigungslinien gebrochen. Nun schnitten sie den Balsbergern den Rückzug ab, indem sie ihre eigenen Reihen im Rücken der Verteidiger in einer schnellen Zangenbewegung wieder zu einer geraden Front schlossen. Die eingekesselten Verteidiger waren verloren. Es begann ein furchtbares Massaker.
Auf diese Weise rückten die Angreifer Stück für Stück in die Stadt vor. Eine Verteidigungsposition nach der anderen wurde von den
Horden
gestürmt. Dutzende wurden erschlagen, ohne dass die Angreifer selbst spürbare Verluste hinnehmen mussten. Es war ein Kampf zwischen zwei völlig ungleichen Gegnern. Die Rathausuhr hatte noch nicht zehn geschlagen, da war die Stadt vollständig in der Hand der
Horden
. Die Verteidigung hatte nicht einmal fünf Stunden gehalten.
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In kleinen Trupps besetzten die Krieger Kreuzungen und andere wichtige Punkte und verhinderten so, dass die Bewohner in der Stadt hin- und herfliehen konnten. Andere Gruppen begannen, die verängstigten Menschen aus ihren Häusern zu holen und im strömenden Regen zum Marktplatz zu treiben. Das alles geschah mit derselben disziplinierten Ruhe, in der sie auch marschierten. Es war gespenstisch. In den Straßen und Gassen war neben dem stetigen Prasseln des Regens allein das Weinen verängstigter
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