Der 7. Lehrling (German Edition)
als überlegen.
Adina wartete, aber niemand kam aus dem Haus, um sie anzugreifen. Trotzdem spürte sie immer noch eine Anwesenheit. „Komm schon, oder hast Du Angst vor einem Mädchen?“, rief sie und versuchte so, den Gegner herauszulocken. Nichts geschah.
Nachdem sie noch eine kleine Weile gewartet hatte, entschloss sich die junge Hexe zum Angriff. Sie konnte ja nicht den ganzen Tag warten, bis jemand herauskam. Und einen unberechenbaren Gegner im Rücken? Niemals! Langsam schlich sie von der Seite näher an die Tür heran. Im Halbdunkel des Hauses war es ruhig. Aber sie spürte nach wie vor, dass dort drin jemand war. Die linke Hand zur Verteidigung immer in Blickrichtung vor sich gestreckt, betrat sie vorsichtig das Innere und ging sofort neben dem Türpfosten mit dem Rücken zur Wand in die Hocke.
Es gab nur einen einzigen Raum. Mit einem schnellen Blick in die Runde erfasste Adina die Situation. Links eine Ecke mit einem zerschlagenen Tisch und ein paar Stühlen. Keine Versteckmöglichkeit. An der Rückwand die offene Feuerstelle mit einem Topf am Kochhaken. Kalt. Weiter rechts die Betten der Familie, ein großes, umgeworfen und ein kleines. Leer.
Wenn, dann konnte sich der Anwesende nur hinter dem großen Bett versteckt haben. Bis in die Haarspitzen konzentriert schlich Adina völlig geräuschlos auf das Bett zu. Mit einem Ruck riss sie mit der Rechten die Matratze weg und richtete ihre linke Hand mit der bläulich-weißen Frostkugel ...
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... auf ein kleines, völlig schmutziges Mädchen, das sie aus großen Augen ansah.
Sofort schloss Adina die linke Hand, und die Kugel löste sich auf. Dann ging sie langsam neben dem Mädchen in die Hocke und sprach sie leise an. „Hallo Kleine, wer bist Du denn? Ich bin Adina. Hörst Du: A-D-I-N-A.“
Das Mädchen sah sie weiter an. Dann stahl sich langsam ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht, und sie streckte die Ärmchen aus: „Dina!“
Adina nahm die Kleine auf den Arm und drückte sie an sich. Die plötzlich abfallende Anspannung und die furchtbare Erkenntnis darüber, dass die beiden draußen die Eltern des Mädchens sein mussten, bahnten sich ihren Weg in großen heißen Tränen, die der jungen Magierin über die Wangen liefen. Und mit einem Mal war ihr auch klar, warum sie die ganze Zeit über jemanden in diesem Haus gespürt hatte: Dieses Mädchen war eine Hexe!
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Adina hatte schnell die Tür geschlossen, damit das Mädchen nicht nach draußen sehen konnte. Dann hatte sie Feuer gemacht, die Matratze wieder richtig hingelegt und dem Mädchen aus ihrem Wasserschlauch zu trinken gegeben. Das Kind war völlig abgemagert, und Adina fragte sich nicht nur einmal, wie die Kleine so viele Tage ohne Nahrung und Wasser durchgehalten haben konnte. Dann, beim Aufräumen, entdeckte sie einen völlig ausgehöhlten großen Brotlaib und eine Schale, in der offenbar einmal Butter oder Sahne gewesen sein musste. Das war alles? Davon hatte sich das Mädchen tagelang ernährt?
Ihr blieb nicht viel Zeit zum Überlegen. Während sie versuchte, das Haus wieder in einen einigermaßen wohnlichen Zustand zu bringen, wich ihr das Mädchen nicht von der Seite und beobachtete alles, was Adina tat.
Dann war endlich das Wasser im Kessel warm. Adina schüttete es in eine Wanne, die sie im hinteren Bereich des Raumes gefunden hatte, zog dem Mädchen die Kleider über den Kopf und wusch es gründlich von oben bis unten. Die Kleine ließ alles mit sich geschehen, ohne auch nur ein einziges Widerwort zu geben.
Klar, mit dem Sprechen klappt es in dem Alter ja noch nicht so gut
, dachte Adina bei sich, als sie das Mädchen abtrocknete.
Sie musste etwa ein bis eineinhalb Jahre alt sein. Ein paar Zähnchen waren schon zu sehen, mit dem Laufen klappte es auch einigermaßen. Was Adina immer wieder erstaunte, ihr aber auch gleichzeitig eine Riesenangst machte, war das Zutrauen, das das Mädchen zu ihr gefasst hatte. Was sollte denn eigentlich aus ihr werden? Sie konnte sie doch kaum auf ihrer Suche mitnehmen!
In diesem Moment nahm Amina Kontakt zu ihr auf.
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Die kleine Gruppe der
Horden
hielt mit ihren Gefangenen an einer Kreuzung nordwestlich von Balsberg. Die fremden Krieger sagten nichts, sondern stiegen nur aus den Sätteln, ließen ihre Pferde frei grasen und hockten sich an den Straßenrand.
Nach einer Weile sagte Medards Vater leise zu Falk: „Was tun sie? Warten?“
„Ja, ich glaube schon“, antwortete Falk. „Ich nehme an, sie warten auf die
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