Der 7. Lehrling (German Edition)
es ihm gleich, blieb aber dann wie angewurzelt stehen. Falk drehte sich zu ihm um. „Was ist?“
Quentin starrte wie gebannt auf den Spiegel. „Ich ... ich könnte schwören ...“
„Was denn?“
„Unser Spiegelbild ... es war noch einen Augenblick da, als Ihr schon gegangen wart! Es ...“ Dann schüttelte er den Kopf und holte rasch die paar Schritte auf Falk auf. „Ich glaube, ich fange an zu spinnen.“
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Sie hatten noch Zeit bis zur Feier, und Quentin bat Falk, im Speisesaal noch etwas trinken zu gehen. Seine Aufregung war nun deutlich spürbar, und Falk legte seinem Schützling ein ums andere Mal beruhigend die Hand auf die Schulter. „Nur Mut, es wird bestimmt nicht halb so schlimm, wie Du glaubst.“
Im Speisesaal trafen sie unerwartet auf die restlichen Befreier, die ihnen auf dem Weg nach Filitosa den Rücken freigehalten hatten. Alle waren festlich gekleidet, also mussten sie schon eine ganze Weile da sein.
Quentin und Meara entdeckten sich gleichzeitig. Meara stellte hastig ihren Becher auf einen Tisch und breitete die Arme aus. Das ließ Quentin sich nicht zweimal sagen und flog durch den halben Saal in ihre Arme.
Nun verging das Warten wie im Flug. Mit dampfendem Tee in den Tassen wurden Neuigkeiten ausgetauscht. Quentin erzählte von Aminas und Milans Führung, Meara von ihrem Rückweg. Niemand war ihnen gefolgt, die
Horden
schienen – dank des
schwarzen Magiers
– endgültig in die Flucht geschlagen zu sein.
Dann war es endlich dunkel. Zusammen mit vielen anderen gingen sie zum See. Alle trugen die kunstvoll gearbeitete Kleidung ihrer Zunft; es war ein erhebender Anblick.
Fackeln tauchten wie schon ein paar Wochen zuvor die Sitzreihen in ein unruhiges, aber warmes Licht, zwischen dem die Schatten sich gegenseitig jagten. Amina hatte schon auf sie gewartet und geleitete die beiden hinunter in die erste Reihe. Dort saßen schon die anderen sechs künftigen Lehrlinge unruhig auf ihren Plätzen, hinter ihnen jeweils die Hexe oder der Zauberer, die sie entdeckt hatten. Hinter Quentins Stuhl waren zwei Plätze frei: einer für Falk und einer für Amina.
Das Podest am Ufer des Sees war noch leer. Korbinian würde als Oberhaupt der Magier die Zeremonie leiten und kam deshalb natürlich als Letzter.
Mehr oder weniger schweigsam betrachteten allen den Mond, der sich langsam über den Horizont erhob. Erhaben und majestätisch schob sich sein uraltes Gesicht über die Baumwipfel in den sternenklaren Himmel hinauf. Seine Farbe war fast orange, und er war riesengroß. Leises Getuschel verriet Falk und Quentin, dass ein solch großer Vollmond auch für die Magier etwas Besonderes darstellte. Je höher der Mond am Himmel stand, umso leiser wurde es in der Menge. Schließlich verstummte auch das letzte Flüstern. Der Vollmond stand in seiner ganzen Pracht am Firmament. Quentin rutschte vor Aufregung auf seinem Sitz hin und her.
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Korbinian schritt in seinem besten Festtagsgewand durch den Mittelgang zum Ufer hinab. Als er das Podest betrat, schwankte es nur ganz kurz und blieb dann wieder still im Wasser liegen. Seine Erbauer hatten auch dieses Mal wieder ganze Arbeit geleistet.
Korbinian breitete zur Begrüßung seine Arme aus und blickte freundlich in die Runde. „Ich wünsche euch allen einen wundervollen Abend.“ Seine Hand strich gedankenverloren über den langen Bart. „Ich kann mich nicht erinnern, dass die Freisprechung und die Aufnahme neuer Lehrlinge einmal vor einem so großen Publikum stattgefunden hätten. Allerdings, es scheint mir in diesem Jahr geradezu angemessen zu sein.“ Zustimmendes Murmeln in der Menge. „Das letzte Mal, dass alle Magier dieses Landes sich gemeinsam einer Aufgabe gestellt haben, liegt schon so lange zurück, dass nur noch die alten Aufzeichnungen in unserer Bibliothek davon berichten können – es war dies gleichzeitig das letzte Mal, dass sich die Magier an einem Krieg gegen die damals ständig einfallenden Nordländer beteiligt haben. Nicht lange danach haben sich die Menschen mit der
Gabe
aus dem Leben der anderen Menschen zurückgezogen.
Als wir vor etwas über zwei Monden beschlossen, alle Magier an der für uns so wichtigen Aufgabe zu beteiligen, wussten wir nicht, wohin uns diese Reise führen würde. Und es kam anders, ganz anders, als wir es uns am Anfang vorgestellt hatten.
Ich will heute Abend nicht alle Einzelheiten noch einmal durchgehen, schließlich gilt das heutige Fest den Lehrlingen und nicht unserer
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