Der 7. Lehrling (German Edition)
Gesellenstücke, die ihn immer wieder begeisterten. In allen Handwerksbetrieben waren in großen Schaukästen unzählige Abschlussarbeiten der Lehrlinge ausgestellt, und Falk war schlichtweg sprachlos von der Genauigkeit und dem Erfindungsreichtum, die ihm mit jedem Stück vor Augen geführt wurden.
In der Mühle, die als Letztes an der Reihe war, hielt sich Falk noch lange auf, als Quentin und Milan schon zum Mittagessen gegangen waren. Schweigend prüfte er die Mechanik bis in die kleinste Einzelheit. Im Gegensatz zu seiner Wassermühle handelte es sich hier um eine Windmühle, was natürlich eine vollkommen andere Anordnung der Antriebsachsen und Zahnräder zur Folge hatte. Es waren aber mehr die Kleinigkeiten, die Falk immer wieder erstaunt schauen ließen. Die Getreidesäcke wurden zum Beispiel mit einem Aufzug auf die Bühne über dem Mahlwerk gehoben, der mit Windkraft funktionierte! Dazu musste lediglich die Hauptantriebsachse durch einen breiten Lederriemen mit der Aufzugsachse verbunden werden, und schon hob sich der Sack in die Luft. Eigentlich einfach – aber man musste erst einmal darauf kommen!
So betrachtete er viele Dinge ganz genau, bis er mit nachdenklichem Gesicht wieder ins Freie trat. Es gab keinen Zweifel: Wenn Quentin hier weiter zur Lehre ginge, würde er mehr beigebracht bekommen, als er selbst ihm in seiner eigenen Mühle jemals zeigen konnte. Aber das bedeutete gleichzeitig auch, dass er Quentin nun loslassen musste. Der Junge würde ihm sicher mehr fehlen, als er sich im Moment eingestehen wollte. Und Finja? Er wagte kaum, sich vorzustellen, was Finja sagen würde, wenn er ohne den Jungen nach Hause kam …
Tief in Gedanken versunken schlenderte er durch das Dorf und fand sich irgendwann am Seeufer wieder, wo Quentin im Gras saß und die Vorbereitungen für das Fest betrachtete.
Falk atmete tief durch. Jetzt kam der Moment der Entscheidung.
Quentins Entscheidung
Falk wuschelte Quentin durch die durch die Gefangenschaft viel zu langen Haare, während er sich setzte. „Na, interessant?“
„Schon“, antwortete Quentin. „Aber ich schaue fast gar nicht hin. Ich überlege die ganze Zeit, was ich machen soll ...“ Erwartungsvoll schaute er seinen Lehrherrn an.
Falk gelang es gerade so, den Kloß herunterzuschlucken, der sich plötzlich in seinem Hals bilden wollte. Er räusperte sich umständlich. „Wie gefällt es Dir bei den Magiern?“
„Gut – nein, fantastisch! Es ist alles so, als wenn man in einem Traum wäre!“
„Du weißt schon, dass dieser Traum nicht für immer weitergeht, oder? Spätestens wenn am nächsten Montag die Arbeit ruft, ist es mit dem Träumen vorerst vorbei.“
„Ja, schon. Aber wenn sie mir beibringen zu zaubern, dann ist es bestimmt wieder so – wenigstens ein bisschen.“
Falk konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Wenn Du es sagst ...“ Dann wurde sein Blick wieder ernst und er schaute seinem Lehrling fest in die Augen. „Quentin, ich habe mir die Mühle angesehen. Sie ist rundherum in bestem Zustand – auch wenn ihr noch die doppelte Anzahl an Zapfen für die Mühlsteine fehlt.“ Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, verschwand aber sofort wieder. „Die ausgestellten Gesellenstücke sind von hervorragender Qualität und ein Zeugnis davon, dass die Meister es hier mit der Ausbildung sehr, sehr genau nehmen. Du kannst also ruhigen Gewissens davon ausgehen, dass Deine Lehre hier nicht schlechter fortgesetzt wird, als ich es in meiner Mühle könnte.“ Er ließ seinen Blick über den See schweifen. „Was die Menschen, oder besser gesagt: die Magier angeht ... Ich habe sie bisher als aufrechte, offene Leute erlebt. Es scheint hier in Filitosa sehr harmonisch zuzugehen. Ich sehe keinen Grund, an ihrer Ehrenhaftigkeit zu zweifeln.“ Sein Blick kehrte zu Quentin zurück. „Aber entscheiden, Quentin, entscheiden musst Du Dich allein.“
Quentin blickte seinen Meister mit gequältem Gesichtsausdruck an. In ihm stritten sein neues Zuhause bei Finja und Falk gegen die unzähligen Abenteuer, die hier auf ihn warteten. Ein paar Augenblicke noch kaute er verzweifelt auf seinen Lippen herum, aber dann fasste er sich ein Herz.
„Ob ich Euch wohl hin und wieder besuchen darf?“, fragte er vorsichtig.
Falk fühlte plötzlich, wie sich eine gewaltige Leere in ihm breit machte. Quentin hatte sich entschieden. Er zog seinen Lehrling an sich, damit dieser nicht sah, dass er die Tränen nicht zurückhalten konnte. „Bestimmt, mein
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