Der 7. Lehrling (German Edition)
betreten hatte, nickte er Korbinian zu. Die Versammlung konnte beginnen.
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Ohne Einleitung wandte sich Korbinian den Versammelten zu und begann: „Im Süden des Landes sind vor etwa zehn Tagen
Horden
aus dem Osten
eingefallen. Es sind etwa einhundertfünfzig berittene Krieger. Sie haben Serding überfallen, geplündert, einige Menschen ermordet, gut eineinhalb Dutzend Menschen verschleppt und sind dann nach Westen weitergezogen. Zu unserem Glück waren sie schon weg, als die
4-Uhr-Speiche
ihre Aufstellung einnahm.
Vor etwa vier Tagen haben die
Horden
über den Uder gesetzt. Sie haben das Fährhaus völlig niedergebrannt und wahrscheinlich die Fährleute verschleppt. Sie sind weiter nach Westen gezogen.
Einhundertfünfzig feindliche Krieger befinden sich also im Moment mit unbekannter Richtung im Rücken der Suchenden auf der
8-Uhr-Speiche
. Das ist die Situation, über die ich mit euch sprechen möchte.“
Korbinian ging zu seinem Platz und trank einen Schluck Wasser, bevor er fortfuhr. „Ich überlege, ob es unter den gegebenen Umständen nicht besser ist, die Suche abzubrechen. Halten sich die
Horden
länger an einem Ort auf, wird die
4-Uhr-Speiche
unvorbereitet auf sie auflaufen. Legen sie an Geschwindigkeit zu, fallen sie der
8-Uhr-Speiche
in den Rücken. Natürlich brauchen wir nichts so sehr wie den siebten Lehrling. Aber ich frage mich angesichts der neuen Situation, ob das Risiko einer einzigen drohenden Gefangennahme es wert ist, ein Kind, das bisher vielleicht nur weiß, dass es irgendwie anders ist als die anderen Kinder, wohlbehalten hierherzubringen. Die
Horden
sind nicht bereit sind zu verhandeln. Das zeigt das Beispiel der Erschlagenen in Serding überdeutlich.“
Korbinian setzte sich.
„Ich bitte also um euren Rat, damit ich eine Entscheidung treffen kann.“
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Atemlose Stille im Convenium. Mit einer Neuigkeit dieses Ausmaßes hatte niemand von ihnen gerechnet. Die Lehrlinge des ersten und zweiten Lehrjahres tuschelten leise miteinander. Gespannt beobachteten sie den weiteren Verlauf.
„Woher wissen wir das alles?“ Ein alter Zauberer hatte sich erhoben. „Und wie sicher ist die Information? Ich meine, wir sollten nicht aufgrund eines Gerüchtes voreilige Entscheidungen treffen. Wie wichtig der Schutz von Filitosa und damit die Suche ist, muss ich sicher nicht betonen.“
Linnea stand auf, bevor Korbinian zu einer Antwort ansetzen konnte. „Verzeih, Korbinian, wenn ich Dir vorgreife“, lächelte sie zu ihm hinüber. Dieser winkte ab und nickte ihr auffordernd zu.
„Seit dem Beginn der Suche habe ich eine neue Schülerin: Amina, die ihr sicherlich von der Metzgerei kennt. Sie hat das
Zweite Gesicht
.“ Erstaunte Zwischenrufe. Amina wurde rot, als alle sie anstarrten.
„Ich sehe, ich muss euch nicht viel über das
Zweite Gesicht
erzählen. Amina hatte Kontakt zu ihrer Schwester auf der
4-Uhr-Speiche
. Adina hat selbst das verwüstete Fährhaus gesehen. Den Rest hat sie von einem Gesellen auf der Walz erfahren, der es bei dem traditionellen Tausch gegen ein Getränk in einer Herberge erzählte. Ich denke also, wir können sicher sein, dass es Tatsachen sind.“ Linnea setzte sich wieder.
Der alte Zauberer sah zu ihr hinüber, nickte dankend und nahm ebenfalls wieder Platz. Dann entstand eine lebhafte Diskussion. Für und Wider wurden vorgetragen und abgewogen. Schließlich jedoch behielt die Suche deutlichen Vorrang. Auch die durch Amina vorgetragenen Argumente von Milan beeindruckten Korbinian und den Rest der Versammelten, zumal es die Einzigen waren, die von einem Suchenden selbst stammten.
Als die Diskussion spürbar nachließ, schaute Korbinian seinen alten Weggefährten Samuel fragend an. Der aber schüttelte kaum sichtbar den Kopf – er wollte nichts sagen.
Korbinian stand auf. „Ich danke euch für euren Rat und denke, wir haben eine gemeinsame Entscheidung gefunden: Wir werden die Suche fortsetzen – zunächst. Denn wenn sich eine Situation ergibt, in der die Sicherheit der Suchenden tatsächlich gefährdet ist, werde ich sie zurückrufen. Es darf keine Hexe, kein Zauberer, kein Geselle und kein Lehrling in die Gefangenschaft der
Horden
geraten.“ Er wandte sich Amina zu. „Auf Dich, liebe Amina, kommen nun allerdings einige anstrengende Tage zu. Du musst die Sucher auf der
4-
und der
8-Uhr-Speiche
warnen. Wir werden im Anschluss besprechen, wie Du vorgehen sollst.“ Er blickte noch einmal über die Versammelten. „Euch danke ich einstweilen.
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