Der 7. Lehrling (German Edition)
lächelte und sah erfrischt aus. „Der Trank ist wirklich gut, Linnea! Ich fühle mich bestens!“ Sie setzte sich zu den beiden. Dann gab sie ausführlich wieder, was Adina ihr berichtet hatte.
Korbinians Miene wurde im Lauf der Erzählung immer ernster. „Die Plünderer werden das ganze Land in Aufruhr versetzen. Das macht die Suche noch schwieriger, als sie ohnehin schon ist. Unsere Brüder und Schwestern sind darüber hinaus auch selbst gefährdet! Wenn nur einer von ihnen verschleppt wird – ich würde mir das nie verzeihen! ... Ich muss nachdenken. Sehen wir uns beim Abendessen?“
Linnea nickte.
„Gut“, sagte Korbinian und erhob sich. „Uns wird schon etwas einfallen.“ Mit diesen Worten ging er grübelnd zum Haupthaus zurück.
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Adina hatte die trockenste Stelle in dem Nebengebäude gesucht, aufgeräumt und ein kleines Feuer gemacht, während die anderen drei damit beschäftigt waren, die Fähre zu bergen. In ihrem Kopf herrschte ziemliches Durcheinander.
Zweites Gesicht? Amina hat das Zweite Gesicht? Wahnsinn!
Erschöpft und durchnässt stolperten die drei über die Schwelle. „Oh gut, ein Feuer! Danke, Adina!“ Balthasar und die anderen ließen sich ohne große Umstände abgekämpft neben dem Feuer auf den Boden fallen.
Dann erzählten sie, wie sie die Fähre zum Ufer gebracht hatten. Einmal war sie fast gekentert, als Balthasar allzu heftig gegen die Fließrichtung des Wassers gesteuert hatte, aber nach und nach bekam er den Bogen heraus, und trotz der starken Strömung hatte es gut geklappt.
Langsam näherte sich die Sonne dem Horizont. Adina überlegte verzweifelt, wie sie mit Nahir und Othmar ein Wort allein wechseln könnte. Auch die beiden anderen Magier schienen darüber nachzudenken. Alle drei taten so, als hätten sie sich gerade erst kennengelernt. Bis Othmar endlich der rettende Einfall kam: „Balthasar, wäret Ihr vielleicht so freundlich und würdet mit Nahir etwas Holz sammeln gehen? Der Vorrat wird die Nacht über sicherlich nicht reichen.“
Nahir schaute zuerst erstaunt, dann huschte Verständnis über sein Gesicht, und er erhob sich. Othmar würde ihm später alles erzählen. Balthasar und er warfen sich ihre Umhänge über und stapften hinaus in den Regen.
Schnell und leise tauschten Adina und Othmar ihre Neuigkeiten aus. Auch die beiden anderen Magier hatten bereits von dem Einfall der
Horden
gehört. Sie beide waren die letzten Sucher ohne Pferd auf der
4-Uhr-Speiche
, also noch weiter außen als Adina. Wie Adina richtig vermutet hatten, waren die Furten, die die beiden nehmen wollten, überflutet, und so hatten sie sich glücklicherweise auf den Weg zur Fähre gemacht.
Nahir hatte auf seiner Suche bereits eine Präsenz gespürt, allerdings handelte es sich um ein achtjähriges Mädchen. Keine Kandidatin für dieses Jahr.
Othmar kam aus dem Staunen kaum heraus, als Adina ihm von Aminas Fähigkeit mit dem
Zweiten Gesicht
erzählte. „Weißt Du, was das für Möglichkeiten für die Suche eröffnet?“
Adina sah ihn fragend an.
„Sie kann suchen, ohne sich dabei über aufgeweichte Wege quälen zu müssen“, erläuterte Othmar. „Sie kann uns helfen! Wenn sie Dich nur mit ihrem Willen finden kann, dann kann sie jeden Magier finden. Verstehst Du?
Jeden, auch den siebten Lehrling
!“
„Aber sie kann diese Fähigkeit erst seit sehr kurzer Zeit haben. Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, konnte sie es noch nicht. Oder jedenfalls nicht so, wie sie es heute mit mir gemacht hat. Sie hat in der Nacht vor dem Aufbruch nur geschrieben, dass sie
weiß
, dass mit Milan etwas passiert ist, und dann ist sie losgezogen, um ihm zu helfen.“
Othmar nickte. „Du hast recht. Sicher muss sie jetzt erst lernen, damit umzugehen. Aber wenn ich richtig liege, dann ist sie mittlerweile in den besten Händen, die man dafür aussuchen kann: bei Linnea.“
„Bei der komischen alten Hexe? Wieso?“
„Weil diese
komische alte Hexe
die sicher weiseste Frau unserer gesamten Gemeinschaft ist. Korbinian jedenfalls weiß ihren Wert zu schätzen. Wie auch nicht, schließlich ist er vor langer Zeit ihr Lehrling gewesen.“
„Er ist ... was? Aber Korbinian ist doch selbst schon alt ...“
Othmar nickte wieder. „Niemand weiß genau, wie alt Linnea ist. Manche sagen, sie sei so alt, dass sie es schon selbst nicht mehr zählen kann ... Ich bin sicher, dass Amina bei ihr ist. Frag sie einfach, wenn – pssst“, unterbrach sich Othmar und legte den Finger auf die Lippen.
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