Der 7. Tag (German Edition)
Bänke, die obligatorischen
Gummibäume, Lichterketten und Meerblick. In den Bäumen lärmen bunte Vögel, fast
alle Bänke sind besetzt mit Engländern, Franzosen, Schweizern. Deutsche
Touristen scheinen hier selten zu sein. In einem kleinen Holzhäuschen sind eine
Küche und eine Bar eingerichtet.
Nein, der Chef sei nicht da, sagt die Bedienung.
Also haben wir erst einmal die Küche ausprobiert. „Red Snapper oder Hühnchen?“
„Dann lieber Red Snapper.“
Nach einem erstaunlich guten Mittagessen machen wir
uns auf den Weg, wie Sybille Thalheim ihn beschrieben hat.
Kleine Schildkröten und große Insekten tummeln sich
im Sand, Fischreiher, Ibisse und Pelikane beäugen uns kritisch.
Wir waten teilweise durch seichtes Wasser, nicht
immer führt der Weg über Sandstrand.
Als wir schon dachten, hier würde nie mehr etwas
kommen, sehen wir etwas Rosafarbenes durch die Bäume blitzen. Das Haus, von dem
Sybille gesprochen hatte.
Plötzlich steht ein groß gewachsener Schwarzer vor
uns und wir schauen mitten hinein in den Lauf eines Gewehrs. Wir sagen, wir
kämen von Sybille Thalheim. Er hat uns nicht verstanden.
„Zurück, zurück“, sagt er auf Englisch. So geht
es also nicht. Also zurück zur Strandbar, in der sengenden Hitze. Die Sonne
steht fast senkrecht über uns und frisst sich erbarmungslos in unsere
Schultern.
Der Besitzer käme gegen Abend, versucht uns die
karibische Schönheit, die in der Strandbar bedient, in gebrochenem Englisch
beizubringen. Also Punsch trinken, Schönheit bewundern und warten.
Die Strandbar ist jetzt fast leer, die
Tagestouristen sind längst wieder auf ihren Kreuzfahrtschiffen oder mit
undichten Taucherbrillen beim Fische beobachten auf einem schrottreifen Kahn
mit irgendeinem selbst ernannten Touristenführer.
Um kurz vor sieben betritt ein Europäer
mittleren Alters die Bar. Die Schönheit tuschelt. Aha, der Besitzer. Er kommt
an unseren Tisch.
„Sie wollten mich sprechen?“. Ein Deutscher.
Wir sagen, wir kämen vom Cosmo und von Sybille
Thalheim. Er setzt sich, schaut uns an und fragt: „Was ist mit Michael?“
„Michael ist tot“.
„Ja“, sagt er, das habe er erwartet. „Sie müssen
warten. Bitte.“
Wir warten, trinken noch mehr Punsch und beobachten
das Leben in der Strandbar, die wieder gut gefüllt ist. Jetzt sind es die
Inselgäste, die hier gegrillten Fisch essen und Rumpunsch trinken. Eine Band
hat sich in der Ecke aufgebaut und versucht mit ihren karibischen Rhythmen und
blechern klingenden Instrumenten gegen das Rauschen des Meeres und das Klappern
der Teller anzukommen. “Come On Baby Ride My Pony.“
Den hauptsächlich britischen Inseltouristen gefällt
es, sie tanzen barfuß auf den Holzbohlen, viel bekommen sie auf dieser Insel
auch sonst nicht geboten. Zuhause werden sie erzählen, dass sie nächtelang
Salsa getanzt haben. Fünf Stunden später sind die letzten Gäste gegangen.
„Eine Bedingung“, sagt unser Freund, „keine Namen,
keine Fotos, keine Ortsangabe. Nennt mich einfach Gregor.“
Wir haben akzeptiert. Gregor nimmt uns die
Fotoausrüstung ab. Mit seinem Jeep fahren wir einmal quer über die Insel. An
einer Bananenplantage ist die Fahrt zu Ende. Er biegt in einen kleinen Weg ein.
Der Schwarze mit dem Gewehr ist immer noch da. Er sitzt Kaugummi kauend auf
einer Bananenkiste und winkt uns freundlich zu. Hinter ihm sehen wir das Haus,
das wir am Mittag versucht hatten, zu Fuß zu erreichen.
Eine weitere karibische Schönheit erwartet uns.
„Meine Frau, nennt sie Marissa.“
Gregor und Marissa. Ein seltsames Paar mit einem
rosafarbenen Haus am Ende der Welt. Ein kleines Paradies vielleicht, eine große
Flucht auf jeden Fall. Gregor erklärt Marissa wer wir sind.
“Michael ist tot“, sagt er.
Marissa weint. Arm in Arm sitzen Marissa und unser
Freund auf der Holzterrasse. Wir setzen uns zu ihnen.
„Erzählt die Geschichte“, sagen sie. Eigentlich
wollten wir eine Geschichte hören. Aber hier in der Karibik kommen die
Nachrichten aus Deutschland nur spärlich an. Wir erzählen, die Geschichte so,
wie wir sie bisher geglaubt hatten. Gregor schüttelt den Kopf.
„Hat sie denn den Brief nicht bekommen“, fragt er.
„Welchen Brief?“
Michael hat uns gebeten, einen Brief nach
Deutschland zu schicken, wenn wir drei Wochen von ihm nichts hören. Wir haben
ihn von einer Touristin nach Deutschland bringen lassen. Dort ist er
eingesteckt worden.
„Zu welcher Adresse ging der Brief“,
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