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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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Grasmück, die einen Kuckuck aufzieht. Sie dingten mir einen eigenen Praeceptorem, und schickten mich mit demselben nach Lüttich, mehr daß ich dort Welsch lernen als studieren sollte, weilen sie keinen Theologum, sondern einen Handelsmann aus mir ziehen wollten; dieser hatte Befehl, mich beileib nicht streng zu halten, daß ich kein furchtsam knechtisch Gemüt überkäme, er sollte mich fein unter die Bursch lassen, damit ich nit leutscheu würde, und gedenken, daß sie keinen Mönchen, sondern einen Weltmann aus mir machen wollten, der wissen müsse, was schwarz oder weiß sei.
    Ermeldter mein Präceptor aber war dieser Instruktion unbedürftig, sondern von sich selbsten auf alle Büberei geneigt, was hätte er mir denn solche verbieten oder mich um meine geringen Fehler hart halten sollen, da er selbst gröbere beging; aufs Buhlen und Saufen war er am meisten geneigt, ich aber von Natur aufs Balgen und Schlagen, daher ging ich schon bei Nacht mit ihm und seinesgleichen gassatim und lernete ihm in Kürze mehr Untugenden als Latein ab. Soviel das Studiern anbelangt, verließ ich mich auf mein gut Gedächtnis und scharfen Verstand und war deswegen desto fahrlässiger, im übrigen aber in allen Lastern, Bubenstücken und Mutwillen ersoffen, mein Gewissen war bereits so weit, daß ein großer Heuwagen hindurch hätte fahren mögen: Ich fragte nichts danach, wenn ich in der Kirch unter der Predigt den Bernium, Burchiellum oder den Aretinum las, und hörte nichts liebers vom ganzen Gottesdienst, als wenn man sagt': Ite missa est. Daneben dünkte ich mich keine Sau zu sein, sondern hielt mich recht stutzerisch, alle Tag war mirs Martinsabend oder Fasnacht, und weil ich mich dergestalt hielt wie ein gemachter Herr und nicht nur das, so mein Vater zur Notdurft reichlich schickte, sondern auch meiner Mutter fette Milchpfennig tapfer durchgehen ließ, lockte uns auch das Frauenzimmer an sich, sonderlich meinen Praeceptorem, bei diesen Schleppsäcken lernete ich löffeln, buhlen und spielen; hadern, balgen und schlagen konnte ich zuvor, und mein Präceptor wehrte mir das Fressen und Saufen auch nicht, weil er selbsten gern mitmachte. Es währte dieses herrliche Leben anderthalb Jahr, ehe es mein Vater erfuhr, welches ihn sein Faktor zu Lüttich, bei dem wir auch anfangs zu Kost gingen, berichtet'; der bekam hingegen Befehl, auf uns genauer Achtung zu geben, den Präceptorn abzuschaffen, mir den Zügel fürderhin nicht mehr so lang zu lassen und mich ferner mit Geldgeben genauer zu halten. Solches verdroß uns alle beide, und obschon er Präceptor geurlaubt wurde, so staken wir jedoch ein als den andern Weg Tag und Nacht beieinander; demnach wir aber nit mehr wie hiebevor spendieren konnten, geselleten wir uns zu einer Bursch, die den Leuten des Nachts auf der Gassen die Mäntel abzwackten oder sie gar in der Maas ersäuften; was wir denn solchergestalt mit höchster Gefahr eroberten, verschlemmten wir mit unsern Huren und ließen das Studieren beinahe ganz unterwegen.
    Als wir nun einsmals, unserer Gewohnheit nach, bei der Nacht herumschlingelten, den Studenten ihre Mäntel hinwegzuvulpiniern, wurden wir überwunden, mein Präceptor erstochen und ich neben andern fünfen, die rechte Spitzbuben waren, ertappt und eingezogen: Als wir nun den folgenden Tag examiniert wurden und ich meines Vaters Faktor nannte, der ein ansehenlicher Mann war, wurde derselbe beschickt, meinetwegen befragt und ich auf seine Verbürgung losgelassen, doch daß ich bis auf weitern Bescheid in seinem Haus im Arrest verbleiben sollte; indessen wurde mein Präceptor begraben, jene fünf als Spitzbuben, Räuber und Mörder gestraft, mein Vater aber berichtet, wie mein Handel stünde; der kam eiligst selbst auf Lüttich, richtete meine Sach mit Geld aus, hielt mir eine scharfe Predigt und verwies mir, was ich ihm für Kreuz und Unglück machte, item daß sich meine Mutter stelle, als ob sie wegen meines Übelverhaltens verzweifeln wollte, bedrohete mich auch, dafern ich mich nit besserte, daß er mich enterben und vorn Teufel hinwegjagen wollte. Ich versprach Besserung und ritt mit ihm nach Haus; und also hat mein Studiern ein End genommen.«

Das 20. Kapitel
    Heimkunft und Abschied des ehrbaren Studiosi, und wie er im Krieg seine Beförderung gesucht
    »Da mich mein Vater heimbrachte, befand er, daß ich in Grund verderbt wäre; ich war kein ehrbarer Domine worden, als er wohl gehofft hatte, sondern ein Disputierer und Schnarcher, der sich einbildete, er

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