Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Freund und guten Soldaten an mir haben, gefiel mirs nit, so sei allezeit gut voneinander scheiden. Darauf setzt' er mir mit dem Trunk zu, ich getraute aber auch nicht und stellte mich voll ehe ichs war zu sehen, ob er vielleicht an mich wollte, wenn ich mich nicht mehr defendieren könnte.
Indessen plagten mich die Müllerflöhe trefflich, deren ich eine ziemliche Quantität von Breisach mit mir gebracht hatte, denn sie wollten sich in der Wärme nicht mehr in meinen Lumpen behelfen, sondern spazierten heraus, sich auch lustig zu machen. Dieses nahm Olivier an mir gewahr und fragte, ob ich Läus hätte? Ich sagte: »Ja freilich, mehr als ich mein Lebtag Dukaten zu bekommen getraue.« »So mußt du nit reden«, sagte Olivier, »wenn du bei mir bleibest, so kannst du noch wohl mehr Dukaten kriegen, als du jetzt Läus hast.« Ich antwortet: »Das ist so unmöglich, als ich jetzt meine Läus abschaffen kann.« »O ja«, sagte er, »es ist beides möglich«, und befahl gleich dem Baurn, mir ein Kleid zu holen, das unfern vom Haus in einem hohlen Baum stak, das war ein grauer Hut, ein Koller von Elen, ein Paar rote scharlachner Hosen und ein grauer Rock, Strümpf und Schuh wollte er mir morgen geben. Da ich solche Guttat von ihm sah, getraute ich ihm schon etwas Bessers zu als zuvor und ging fröhlich schlafen.
Das 17. Kapitel
Simplicii Gedanken sind andächtiger, wenn er auf die Rauberei sehet, als des Oliviers in der Kirchen
Am Morgen gegen Tag sagte Olivier: »Auf Simplici, wir wollen in Gottes Namen hinaus, zu sehen, was etwa zu bekommen sein möchte.« »Ach Gott«, gedacht ich, »soll ich denn nun in deinem hochheiligen Namen auf die Rauberei gehen? und bin hiebevor, nachdem ich von meinem Einsiedel kam, nit so kühn gewesen, ohne Erstaunen zuzuhören, wenn einer zum andern sagte. ›Komm Bruder, wir wollen in Gottes Namen ein Maß Wein miteinander saufen‹; weil ichs für eine doppelte Sünd hielt, wenn einer in deinem Namen sich vollzöffe. O himmlischer Vater, wie hab ich mich verändert! O getreuer Gott, was wird endlich aus mir werden, wenn ich nicht wieder umkehre? Ach hemme meinen Lauf, der mich so richtig zur Höllen bringt, da ich nit Buß tue!« Mit dergleichen Worten und Gedanken folgete ich Olivier in ein Dorf, darinnen keine lebendige Kreatur war, da stiegen wir des fernen Aussehens halber auf den Kirchturm; auf demselben hatte er die Strümpf und Schuh verborgen, die er mir den Abend zuvor versprochen, neben zwei Laib Brot, etlich Stück gesotten dörr Fleisch und ein Fäßlein halb voll Wein im Vorrat, mit welchem er sich allein gern acht Tag hätte behelfen können. Indem ich nun meine Verehrung anzog, erzählt' er mir, daß er an diesem Ort pflege aufzupassen, wenn er eine gute Beut zu holen gedächte, deswegen er sich denn so wohl proviantiert, mit dem Anhang, daß er noch etlich solcher Örter hätte, die mit Speis und Trank versehen wären, damit wenn Bläsi an einem Ort nicht zu Haus wäre, er ihn am andern finden könnte. Ich mußte zwar seine Klugheit loben, gab ihm aber zu verstehen, daß es doch nicht schön stünde, ein so heiligen Ort, der Gott gewidmet sei, dergestalt zu beflecken. »Was«, sagte er, »beflecken? - die Kirchen, da sie reden könnten, würden gestehen, daß sie dasjenige, was ich in ihnen begehe, gegen die Laster, so hiebevor in ihnen begangen worden, noch für gar gering aufnehmen müßten; wie mancher und wie manche meinest du wohl, die seit Erbauung dieser Kirch hereingetreten seien unter dem Schein, Gott zu dienen, da sie doch nur herkommen, ihre neuen Kleider, ihre schöne Gestalt, ihre Präeminenz und sonst so etwas sehen zu lassen? da kommt einer zur Kirchen wie ein Pfau und stellt sich vorm Altar, als ob er den Heiligen die Füß abbeten wollte; dort stehet einer in einem Eck zu seufzen wie der Zöllner im Tempel, welche Seufzer aber nur zu seiner Liebsten gehen, in deren Angesicht er seine Augen weidet, um deretwillen er sich auch eingestellt: Ein ander kommt vor, oder wenns wohl gerät, in die Kirch mit einem Gebund Brief, wie einer der ein Brandsteur sammlet, mehr seine Zinsleut zu mahnen als zu beten; hätte er aber nit gewußt, daß seine Debitores zur Kirch kommen mußten, so wäre er fein daheim über seinen Registern sitzen blieben: ja es geschieht zuzeiten, wenn teils Obrigkeiten einer Gemeind im Dorf etwas anzudeuten hat, so muß es der Bot am Sonntag bei der Kirchen tun, daher sich mancher Bauer vor der Kirch ärger als ein armer Sünder vor dem
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