Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
dergestalt schämte, daß ich von dort hinweg auf Lippstadt lief und bei den Hessen Dienst nahm, verblieb aber auch daselbst nicht lang, weil man mir nit traute, sondern trabte fürders in holländische Dienste, allwo ich zwar richtigere Bezahlung: aber einen langweiligen Krieg für mein Humor fand, denn da wurden wir eingehalten wie die Mönche und sollten züchtig leben als die Nonnen.
Weil ich mich denn nun weder unter Kaiserlich-, Schwedisch-, noch Hessischen nicht mehr durfte sehen lassen, ich hätte mich denn mutwillig in Gefahr geben wollen, indem ich bei allen dreien ausgerissen, zumal unter den Holländern nicht länger zu bleiben hatte, weil ich ein Mägdlein mit Gewalt entunehrt hatte, welches allem Ansehen nach in Bälde seinen Ausbruch nehmen würde, gedachte ich meine Zuflucht bei den Spanischen zu haben, der Hoffnung, von denselben heimzugehen und zu sehen, was meine Eltern machten. Aber als ich solches ins Werk zu setzen ausging, wurde mir der Kompaß so verrückt, daß ich unversehens unter die Bayrischen geriet, mit denselben marschierte ich unter den Merode-Brüdern aus Westfalen bis ins Breisgau und ernährte mich mit Spielen und Stehlen, hatte ich etwas, so lag ich bei Tags damit auf dem Spielplatz und bei Nacht bei den Marketendern, hatte ich aber nichts, so stahl ich hinweg was ich kriegen konnte, ich stahl oft auf einen Tag zwei oder drei Pferd, beides von der Weid und aus den Quartiern, verkaufte und verspielte hinwieder, was ich löste, und minierte alsdann bei Nacht den Leuten in die Zelt und zwackte ihnen ihr Bestes unter den Köpfen hervor. War es aber auf dem Marsch, so hatte ich an den engen Pässen ein wachtsames Aug auf die Felleisen, so die Weiber hinter sich führten, die schnitt ich ab und brachte mich also durch, bis das Treffen vor Wittenweier vorüberging, in welchem ich gefangen, abermal unter ein Regiment zu Fuß gestoßen und also zu einem weimarischen Soldaten gemacht wurde; es wollte mir aber im Lager vor Breisach nicht gefallen, darum quittierte ichs auch beizeiten und ging davon für mich selbst zu kriegen, wie du denn siehest, daß ich tue. Und sei versichert Bruder, daß ich seithero manchen stolzen Kerl niedergelegt und ein herrlich Stück Geld prosperieret habe, gedenke auch nicht aufzuhören, bis daß ich sehe, daß ich nichts mehr bekommen kann. Jetzund nun wirds an dir sein, daß du mir auch deinen Lebenslauf erzählest.«
Das 22. Kapitel
Wie es einem gehet, und was es sei, wenn es ihm hund- oder katzenübel geht
Als Olivier seinen Diskurs dergestalt vollführete, konnte ich mich nicht genugsam über die göttliche Vorsehung verwundern! Ich konnte greifen, wie mich der liebe Gott hiebevor in Westfalen vor diesem Unmenschen nit allein väterlich bewahret, sondern noch dazu versehen hatte, daß er sich vor mir entsetzt: Damals sah ich erst, was ich dem Olivier für einen Possen erwiesen, davon ihm der alte Herzbruder prophezeiet, welches er Olivier aber selbst, wie hiervon im sechzehnten Kapitel zu sehen, zu meinem großen Vorteil anders ausgelegt; denn sollte diese Bestia gewußt haben, daß ich der Jäger von Soest gewesen wäre, so hätte er mir gewißlich wieder eingetränkt, was ich ihm hiebevor auf der Schäferei getan; ich betrachtete auch, wie weislich und obskur Herzbruder seine Weissagungen geben, und gedachte bei mir selber, obzwar seine Wahrsagungen gemeinlich unfehlbar einzutreffen pflegten, daß es dennoch schwerfallen würde und seltsam hergehen müßte, da ich eines solchen Tod, der Galgen und Rad verdient hätte, rächen sollte; ich befand auch, daß mirs trefflich gesund gewesen, daß ich ihm meinen Lebenslauf nicht zuerst erzählt, denn mit der Weis hätte ich ihm ja selber gesagt, womit ich ihn hiebevor beleidigt. Indem ich nun solche Gedanken machte, wurde ich in Oliviers Angesicht etlicher Ritz gewahr, die er vor Magdeburg noch nit gehabt, bildete mir derhalben ein, dieselben Narben seien noch die Wahrzeichen des Springinsfeld, als er ihm hiebevor in Gestalt eines Teufels das Angesicht so zerkratzte, fragte ihn derhalben, woher ihm solche Zeichen kämen? mit dem Anhang, ob er mir gleichwohl seinen ganzen Lebenslauf erzähle, daß ich jedoch ohnschwer abnehmen müsse, er verschweige mir das beste Teil, weil er mir noch nicht gesagt, wer ihn so gezeichnet hätte. »Ach Bruder«, antwortet' er, »wenn ich dir alle meine Bubenstück und Schelmerei erzählen sollte, so würde beides mir und dir die Zeit zu lang werden, damit du aber gleichwohl
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