Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Richthaus fürchtet: Meinest du nicht, es werden auch von denjenigen in die Kirch begraben, die Schwert, Galgen, Feuer und Rad verdient hätten? Mancher könnte seine Buhlerei nicht zu End bringen, da ihm die Kirch nit beförderlich wäre; ist etwas zu verkaufen oder zu verleihen, so wirds an teils Orten an die Kirchtür geschlagen; wenn mancher Wucherer die ganze Woche keine Zeit nimmt, seiner Schinderei nachzusinnen, so sitzt er unter währendem Gottesdienst in der Kirch und dichtet, wie der Judenspieß zu führen sei; da sitzen sie hier und dort unter der Meß und Predigt miteinander zu diskurriern, gerad als ob die Kirch nur zu dem End gebauet wäre, da werden denn oft Sachen beratschlagt, deren man an Privatörtern nicht gedenken dürfte; teils sitzen dort und schlafen, als ob sie es verdingt hätten; etliche tun nichts anders als Leut ausrichten, und sagen: ›Ach wie hat der Pfarrer diesen oder jenen so artlich in seiner Predigt getroffen!‹ Andere geben fleißig Achtung auf des Pfarrers Vorbringen, aber nit zu dem End, daß sie sich daraus bessern, sondern damit sie ihren Seelsorger, wenn er nur im geringsten anstößt (wie sie es verstehen), durchziehen und tadlen möchten; ich geschweig hier derjenigen Historien, so ich gelesen, was für Buhlschaften durch Kupplerei in den Kirchen hin und wieder ihren Anfang und End genommen, so fällt mir auch, was ich von dieser Materi noch zu reden hätte, jetzt nicht alles ein: Dies mußt du doch noch wissen, daß die Menschen nit allein in ihrem Leben die Kirchen mit Lastern beschmutzen, sondern auch nach ihrem Tod dieselbe mit Eitelkeit und Torheit erfüllen; sobald du in eine Kirche kommest, so wirst du an den Grabsteinen und Epitaphien sehen, wie diejenigen noch prangen, die doch die Würm schon längst gefressen, siehest du dann in die Höhe, so kommen dir mehr Schild, Helm, Waffen, Degen, Fahnen, Stiefel, Sporn und dergleichen Ding ins Gesicht, als in mancher Rüstkammer, daß also kein Wunder, daß sich die Bauern diesen Krieg über an etlichen Orten aus den Kirchen wie aus Festungen um das Ihrige gewehrt: Warum sollte mir nicht erlaubt sein, mir sage ich, als einem Soldaten, daß ich mein Handwerk in der Kirchen treibe? da doch hiebevor zween geistliche Väter in einer Kirch nur des Vorsitzes halber ein solch Blutbad angestellt, daß die Kirch mehr einem Schlachthaus der Metzger als heiligen Ort gleichgesehen: Ich zwar ließ es noch unterwegen, wenn man nur den Gottesdienst zu verrichten herkäme, da ich doch ein Weltmensch bin; jene aber, als Geistliche, respektierten doch die hohe Majestät des römischen Kaisers nicht. Warum sollte mir verboten sein, meine Nahrung vermittelst der Kirche zu suchen, da sich doch sonst so viel Menschen von derselben ernähren? Ists billig, daß mancher Reiche um ein Stück Geld in die Kirche begraben wird, sein und seiner Freundschaft Hoffart zu bezeugen, und daß hingegen der Arme (der doch so wohl ein Christ als jener, ja vielleicht ein frömmerer Mensch gewesen) so nichts zu geben hat, außerhalb in einem Winkel verscharret werden muß; es ist ein Ding wie mans macht, wenn ich hätte gewußt, daß du Bedenken trügest, in der Kirch aufzupassen, so hätte ich mich bedacht, dir anderst zu antworten, indessen nimm ein Weil mit diesem vorlieb, bis ich dich einmal anders berede.«
Ich hätte dem Olivier gern geantwort, daß solches auch liederliche Leut wären so wohl als er, welche die Kirchen verunehren, und daß dieselbigen ihren Lohn schon drum finden würden; weil ich ihm aber ohnedas nicht traute und ungern noch einmal mit ihm gestritten hätte, ließ ich ihn recht haben. Hernach begehrte er, ich wollte ihm erzählen, wie mirs ergangen, seit wir vor Wittstock voneinander kommen, und dann warum ich Narrnkleider angehabt, als ich im Magdeburgischen Lager angelangt? Weil ich aber wegen Halsschmerzen gar zu unlustig, entschuldigte ich mich, mit Bitt, er wollte mir doch zuvor seinen Lebenslauf erzählen, der vielleicht possierliche Schnitz in sich hielte; dies sagte er mir zu, und fing sein ruchlos Leben nachfolgendergestalt an zu erzählen.
Das 18. Kapitel
Olivier erzählt sein Herkommen, und wie er sich in seiner Jugend, vornehmlich aber in der Schul gehalten
»Mein Vater«, sagte Olivier, »ist unweit der Stadt Aachen von geringen Leuten geboren worden, derowegen er denn bei einem reichen Kaufmann, der mit dem Kupferhandel schacherte, in seiner Jugend dienen mußte; bei demselben hielt er sich so fein, daß er ihn
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