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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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schreiben, lesen und rechnen lernen ließ und ihn über seinen ganzen Handel setzte, wie Potiphar den Joseph; dies schlug auch beiden Teilen wohl zu, denn der Kaufmann wurde wegen meines Vaters Fleiß und Vorsichtigkeit je länger je reicher, mein Vater selbst aber, der guten Tag halber, je länger je stolzer, so gar, daß er sich auch seiner Eltern schämte und solche verachtete, das sie oft vergeblich beklagten. Wie nun mein Vater das fünfundzwanzigste Jahr seines Alters erreichte, starb der Kaufmann und verließ sein alte Wittib samt deren einziger Tochter, die kürzlich in ein Pfann getreten und sich von einem Gadenhengst ein Junges zweigen lassen, selbiges aber folgte seinem Großvater am Totenreihen bald nach: Da nun mein Vater sah, daß die Tochter vater- und kinder-, aber nicht geldlos worden, achtet' er nicht, daß sie keinen Kranz mehr tragen durfte, sondern erwog ihren Reichtum und machte sich bei ihr zutäppisch, so ihre Mutter gern zuließ, nit allein, damit ihre Tochter wieder zu Ehren käme, sondern weil mein Vater um den ganzen Handel alle Wissenschaft hatte, zumalen auch sonst mit dem Judenspieß trefflich fechten konnte. Also wurde mein Vater durch solche Heirat unversehens ein reicher Kaufmann, ich aber sein erster Erb, den er wegen seines Überflusses zärtlich aufziehen ließ, ich wurde in Kleidungen gehalten wie ein Edelmann, in Essen wie ein Freiherr, und in der übrigen Wartung wie ein Graf, welches ich alles mehr dem Kupfer und Galmei, als dem Silber und Gold zu danken.
    Ehe ich das siebente Jahr völlig überlebte, erzeigte sich schon, was aus mir werden wollte, denn was zur Nessel werden soll, brennt beizeiten; kein Schelmstück war mir zuviel, und wo ich einem konnte einen Possen reißen, unterließ ichs nicht, denn mich weder Vater noch Mutter hierum strafte; ich terminierte mit meinesgleichen bösen Buben durch dünn und dick auf der Gassen herum und hatte schon das Herz, mit stärkern als ich war herumzuschlagen, kriegte ich dann Stöß, so sagten meine Eltern: ›Was ist das? soll so ein großer Flegel sich mit einem Kind schlagen?‹ Überwand denn ich (maßen ich kratzte, biß und warf) so sagten sie: ›Unser Olivierchen wird ein braver Kerl werden!‹ Davon wuchs mir der Mut, zum Beten war ich noch zu klein, wenn ich aber fluchte wie ein Fuhrmann, so hieß, ich verstünde es nicht: Also wurde ich immer ärger, bis man mich zur Schul schickte, was denn andere böse Buben aus Bosheit ersannen und nicht praktizieren durften, das setzte ich ins Werk. Wenn ich meine Bücher verklettert' oder zerriß, so schaffte mir die Mutter wieder andere, damit mein geiziger Vater sich nit erzürnte. Meinem Schulmeister tat ich großen Dampf an, denn er durfte mich nit hart halten, weil er ziemliche Verehrungen von meinen Eltern bekam, als deren unziemliche Affenliebe gegen mich ihm wohl bekannt war; im Sommer fing ich Feldgrillen, und setzte sie fein heimlich in die Schul, die uns ein lieblich Gesang machten, im Winter aber stahl ich Nießwurz und stäubte sie an den Ort, da man die Knaben zu kastigieren pflegt', wenn sich dann etwa ein Halsstarriger wehrte, so stob mein Pulver herum und machte mir ein angenehme Kurzweil, weil alles niesen mußte. Hernach dünkte ich mich viel zu gut sein, nur so gemeine Schelmstück anzustellen, sondern all mein Tun ging auf obigen Schlag; ich stahl oft dem einen etwas und steckte es einem andern in Sack, dem ich gern Stöß angerichtet, und mit solchen Griffen konnte ich so behutsam umgehen, daß ich fast niemals darüber ertappt wurde. Von den Kriegen, die wir damals geführt, bei denen ich gemeiniglich ein Obrister gewesen, item von den Stößen die ich oft bekommen (denn ich hatte stets ein zerkratzt Gesicht und den Kopf voll Beulen), mag ich jetzt nichts sagen, es weiß ja jedermann ohnedas wohl, was die Buben oft anstellen. So kannst du auch an oberzählten Stücken leicht abnehmen, wie ich mich sonst in meiner Jugend angelassen.«

Das 19. Kapitel
    Wie er zu Lüttich studiert, und sich daselbst gehalten habe
    »Weilen sich meines Vaters Reichtum täglich mehrte, also bekam er auch desto mehr Schmarotzer und Fuchsschwänzer, die meinen guten Kopf zum Studieren trefflich lobten, sonsten aber alle meine Untugenden verschwiegen oder aufs wenigst zu entschuldigen wußten, denn sie spürten wohl, daß derjenige so solches nicht tat, weder bei Vater noch Mutter wohl dran sein könnte; derowegen hatten meine Eltern ein größere Freud über ihren Sohn als die

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