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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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Leute die sich lustig machten, da war ganz keine Furcht vor dem Feind, keine Sorg vor der Plünderung und keine Angst, sein Gut, Leib noch Leben zu verlieren, ein jeder lebte sicher unter seinem Weinstock und Feigenbaum, und zwar gegen andere teutsche Länder zu rechnen in lauter Wollust und Freud, also daß ich dieses Land für ein irdisch Paradies hielt, wiewohl es von Art rauh genug zu sein schien. Das machte, daß ich auf dem ganzen Weg nur hin und her gaffte, wenn hingegen Herzbruder an seinem Rosenkranz betete, deswegen ich manchen Filz bekam, denn er wollte haben, ich sollte wie er an einem Stück beten, welches ich aber nicht gewöhnen konnte.
    Zu Zürch kam er mir recht hinter die Brief', und dahero sagte er nur die Wahrheit auch am trockensten heraus, denn als wir zu Schaffhausen (allwo mir die Füß von den Erbsen sehr weh taten) die vorig Nacht geherbergt und ich mich den künftigen Tag wieder auf den Erbsen zu gehen fürchtete, ließ ich sie kochen und tat's wieder in die Schuh; deswegen ich denn wohl zu Fuß nach Zürch gelangte, er aber sich gar übel gehub, und zu mir sagte: »Bruder, du hast große Gnad von Gott, daß du unangesehen der Erbsen in den Schuhen dennoch so wohl fortkommen kannst.« »Ja«, sagte ich, »liebster Herzbruder, ich hab sie gekocht, sonst hätte ich so weit nit darauf gehen können.« »Ach daß Gott erbarm«, antwortet' er, »was hast du getan? du hättest sie lieber gar aus den Schuhen gelassen, wenn du nur dein Gespött damit treiben willst, ich muß sorgen, daß Gott dich und mich zugleich strafe; halte mir nichts für ungut Bruder, wenn ich dir aus brüderlicher Liebe teutsch heraussage, wie mirs ums Herz ist, nämlich dies, daß ich besorge, wofern du dich nit anderst gegen Gott schickest, es stehe deine Seligkeit in höchster Gefahr; ich versichere dich, daß ich keinen Menschen mehr liebe als eben dich, leugne aber auch nit, daß, wofern du dich nit bessern würdest, ich mir ein Gewissen machen muß, solche Liebe zu kontinuieren.« Ich verstummte vor Schrecken, daß ich mich schier nit wieder erholen konnte, zuletzt bekannte ich ihm frei, daß ich die Erbsen nit aus Andacht, sondern allein ihm zu Gefallen in die Schuh getan, damit er mich mit sich auf die Reis genommen hätte. »Ach Bruder«, antwortet' er, »ich sehe, daß du weit vom Weg der Seligkeit bist, wenn gleich die Erbsen nit wären, Gott verleihe dir Besserung, denn ohne dieselbe kann unser Freundschaft nicht bestehen.«
    Von dieser Zeit an folgte ich ihm traurig nach, als einer den man zum Galgen führt, mein Gewissen fing mich an zu drücken, und indem ich allerlei Gedanken machte, stelleten sich alle meine Bubenstück vor Augen, die ich mein Lebtag je begangen, da beklagte ich erst die verlorne Unschuld, die ich aus dem Wald gebracht und in der Welt so vielfältig verscherzt hatte, und was meinen Jammer vermehrte, war dieses, daß Herzbruder nit viel mehr mit mir redete und mich nur mit Seufzen anschaute, welches mir nit anders vorkam, als hätte er meine Verdammnis gewußt und an mir bejammert.

Das 2. Kapitel
    Simplicius bekehrt sich, nachdem er zuvor von dem Teufel erschreckt worden
    Solchergestalt langten wir zu Einsiedeln an und kamen eben in die Kirch, als ein Priester einen Besessenen exorzisieret'; das war mir nun auch etwas Neues und Seltsams, derowegen ließ ich Herzbrudern knien und beten, solang er mochte, und ging hin, diesem Spektakul aus Vorwitz zuzusehen; aber ich hatte mich kaum ein wenig genähert, da schrie der böse Geist aus dem armen Menschen: »Oho, du Kerl, schlägt dich der Hagel auch her? ich hab vermeint, dich zu meiner Heimkunft bei dem Olivier in unserer höllischen Wohnung anzutreffen, so sehe ich wohl, du läßt dich hier finden, du ehebrecherischer mörderischer Hurenjäger, darfst du dir wohl einbilden, uns zu entrinnen? O ihr Pfaffen, nehmt ihn nur nicht an, er ist ein Gleisner und ärgerer Lügner als ich, er foppt sich nur und spottet beides Gott und der Religion!« Der Exorzist befahl dem Geist zu schweigen, weil man ihm als einem Erzlügner ohnedas nit glaube. »Ja ja«, antwortet' er, »fragt dieses ausgesprungenen Mönchs Reisgesellen, der wird euch wohl erzählen können, daß dieser Atheist sich nit gescheuet, die Erbsen zu kochen, auf welchen er hieherzugehen versprochen.« Ich wußte nit, ob ich auf dem Kopf oder Fuß stund, da ich dieses alles hörete und mich jedermann ansah; aber der Priester strafte den Geist und machte ihn stillschweigen, konnte ihn aber

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