Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
geredt wird zumalen wohlermeldter Graf, sich zu verantworten nach Wien zitiert worden, so lebe ich vor Scham und Furcht freiwillig in dieser Niedere und wünsche mir oft, entweder in diesem Elend zu sterben oder doch wenigst mich solang verborgen zu halten, bis mehrwohlbesagter Graf seine Unschuld an Tag gebracht, denn soviel ich weiß, ist er dem Römischen Kaiser allezeit getreu gewesen, daß er aber diesen verwichenem Sommer so gar kein Glück gehabt, ist meines Erachtens mehr der göttlichen Vorsehung (als welcher die Siege gibt wem er will) als des Grafen Übersehen beizumessen.
Da wir Breisach zu entsetzen im Werk waren, und ich sah, daß es unserseits so schläferig herging, armierte ich mich selbst und ging dergestalt auf die Schiffbrücke mit an, als ob ichs allein hätte vollenden wollen, da es doch damals weder mein Profession noch Schuldigkeit war; ich tats aber den andern zum Exempel, und weil wir den vergangenen Sommer so gar nichts ausgericht hatten; das Glück, oder vielmehr das Unglück wollte mir, daß ich unter den ersten Angängern dem Feind auch am ersten auf der Brücken das Weiß in Augen sah, da es denn scharf herging, und gleichwie ich im Angriff der erste gewesen, also wurde ich, da wir der Franzosen ungestümem Ansetzen nicht mehr widerstanden, der allerletzte und kam dem Feind am ersten in die Hände: ich empfing zugleich einen Schuß in meinen rechten Arm, und den andern in Schenkel, also daß ich weder ausreißen, noch meinen Degen mehr gebrauchen konnte, und als die Enge des Orts und der große Ernst nit zuließ, viel vom Quartiergeben und -nehmen zu parlementieren, kriegte ich einen Hieb in Kopf, davon ich zu Boden fiel, und weil ich fein gekleidet war, von etlichen in der Furi ausgezogen und für tot in Rhein geworfen wurde. In solchen Nöten schrie ich zu Gott und stellete alles seinem heiligen Willen heim, und indem ich unterschiedliche Gelübde tat, spürte ich auch seine Hilf, der Rhein warf mich ans Land, allwo ich meine Wunden mit Moos verstopfte, und ob ich zwar beinahe erfror, so verspürte ich jedoch eine absonderliche Kraft davonzukriechen, maßen mir Gott half, daß ich (zwar jämmerlich verwundet) zu etlich Merode-Brüdern und Soldatenweibern kam, die sämtlich ein Mitleiden mit mir hatten, ob sie mich zwar nit kannten. Diese verzweifelten bereits an einem glücklichen Entsatz der Festung, das mir weher tat als meine Wunden, sie erquickten und bekleideten mich bei ihrem Feur, und ehe ich ein wenig meine Wunden verband, mußte ich sehen, daß sich die Unserigen zu einem spöttlichen Abzug rüsteten und die Sach für verloren gaben, so mich trefflich schmerzete; resolvierte derhalben bei mir selbsten, mich niemand zu offenbaren, damit ich mich keines Spotts teilhaftig machte, maßen ich mich zu etlichen Beschädigten von unserer Armee gesellet', welche einen eigenen Feldscherer bei sich hatten, denen gab ich ein gülden Kreuzlein, das ich noch am Hals davongebracht, für welches er mir bis hieher meine Wunden verbunden. In solchem Elend nun, werter Simplici, hab ich mich bisher beholfen, gedenke mich auch keinem Menschen zu offenbaren, bis ich zuvor sehe, wie des Grafen von Götz seine Sach einen Ausgang gewinnet. Und demnach ich deine Gutherzigkeit und Treu sehe, gibt mir solches einen großen Trost, daß der liebe Gott mich noch nit verlassen, maßen ich heut morgen, als ich aus der Frühmeß kam und dich vor des Kommandanten Quartier stehen sah, mir eingebildet, Gott hätte dich anstatt eines Engels zu mir geschickt, der mir in meiner Armseligkeit zu Hilf kommen sollte.« Ich tröstete Herzbrudern so gut ich konnte und vertraute ihm, daß ich noch mehr Geld hätte als diejenigen Dublonen die er gesehen, welches alles zu seinen Diensten stünde; und indem erzählte ich ihm auch Oliviers Untergang, und wasgestalt ich seinen Tod rächen müssen. Welches sein Gemüt dermaßen erquickte, also daß es ihm auch an seinem Leib wohl zustatten kam, gestalten es sich an allen Wunden täglich mit ihm besserte.
Ende des vierten Buchs
Das fünfte Buch
Das 1. Kapitel
Wie Simplicius ein Pilger wird und mit Herzbruder wallen gehet
Nachdem Herzbruder wieder allerdings erstarkt und an seinen Wunden geheilt war, vertraute er mir, daß er in den höchsten Nöten eine Wallfahrt nach Einsiedeln zu tun gelobt; weil er denn jetzt ohnedas so nahe am Schweizerland wäre, so wollte er solche verrichten und sollte er auch dahin betteln! Das war mir sehr angenehm zu hören, derhalben bot ich ihm
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