Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
Vom Netzwerk:
Stub, an einem Stecken in der Hand, der hatte einen verbundenen Kopf, einen Arm in der Schlinge und so elende Kleider an, daß ich ihm kein Heller darum geben hätte; sobald ihn der Hausknecht sah, wollte er ihn austreiben, weil er übel stank und so voll Läus kroch, daß man die ganze Schwabenheid damit besetzen könnte; er aber bat, man wollte ihm doch um Gottes willen zulassen, sich nur ein wenig zu wärmen, so aber nichts half; demnach ich mich aber seiner erbarmte und für ihn bat, wurde er kümmerlich zum Ofen gelassen: Er sah mir, wie mich dünkte, mit begierigem Appetit und großer Andacht zu, wie ich draufhieb, und ließ etliche Seufzer laufen, und als der Hausknecht ging, mir ein Stück Gebratens zu holen, ging er gegen mich zum Tisch zu und reichte ein irden Pfennighäfelein in der Hand dar, als ich mir wohl einbilden konnte, warum er käme. Nahm derhalben die Kanne und goß ihm seinen Hafen voll, ehe er heischte. »Ach Freund«, sagte er, »um Herzbruders willen gebt mir auch zu essen!« Da er solches sagte, ging mirs durchs Herz, und befand, daß es Herzbruder selbsten war, ich wäre beinahe in Ohnmacht gesunken, da ich ihn in einem so elenden Stand sah, doch erhielt ich mich, fiel ihm um den Hals und setzte ihn zu mir, da uns denn beiden, mir aus Mitleiden und ihm aus Freud, die Augen übergingen.

Das 26. Kapitel
    Ist das letzte in diesem vierten Buch, weil keines mehr hernach folget
    Unser unversehens Zusammenkunft machte, daß wir fast weder essen noch trinken konnten, nur fragte einer den andern, wie es ihm ergangen, seit wir das letztemal beisamm gewesen, dieweil aber der Wirt und Hausknecht stets ab- und zuging, konnten wir einander nichts Vertraulichs erzählen, der Wirt wunderte, daß ich ein so lausigen Kerl bei mir litte, ich aber sagte, solches sei im Krieg unter rechtschaffenen Soldaten, die Kameraden wären, der Brauch. Da ich auch verstund, daß sich Herzbruder bisher im Spital aufgehalten, vom Almosen sich ernährt, und seine Wunden liederlich verbunden worden, dingte ich dem Wirt ein sonderlich Stüblein ab, legte Herzbrudern in ein Bett und ließ ihm den besten Wundarzt kommen, den ich haben konnte, wie auch einen Schneider und eine Näherin, ihn zu kleiden und den Läusen aus den Zähnen zu ziehen; ich hatte eben diejenigen Dublonen, so Olivier einem toten Juden aus dem Maul bekommen, bei mir in einem Säckel, dieselben schlug ich auf den Tisch und sagte, dem Wirt zu Gehör, zu Herzbrudern: »Schau Bruder, das ist mein Geld, das will ich an dich wenden und mit dir verzehren«; davon der Wirt uns brav aufwartete, dem Barbier aber wies ich den Rubin, der auch des bedeuten Juden gewesen und ungefähr zwanzig Taler wert war, und sagte: Weil ich mein wenig Geld, so ich hätte, für uns zur Zehrung, und meinem Kameraden zur Kleidung aufwenden müßte, so wollt ich ihm denselben Ring geben, wenn er besagten meinen Kameraden in Bälde von Grund aus dafür kurieren wollte, dessen er denn wohl zufrieden und seinen besten Fleiß zur Kur anwendete.
    Also pflegte ich Herzbrudern, wie meinem andern Ich, und ließ ihm ein schlicht Kleidlein von grauem Tuch machen, zuvor aber ging ich zum Kommandanten wegen des Passes und zeigte ihm an, daß ich einen übelbeschädigten Kameraden angetroffen hätte, auf den wollte ich warten, bis er vollend heilete, denn ihn hinter mir zu lassen, getraute ich bei meinem Regiment nicht zu verantworten; der Kommandant lobte meinen Vorsatz und gönnete mit zu bleiben, solang ich wollte, mit fernerm Anerbieten, wenn mir mein Kamerad würde folgen können, daß er uns beide, alsdann mit genugsamem Paß versehen wollte.
    Demnach ich nun wieder zu Herzbrudern kam und allein neben seinem Bett bei ihm saß, bat ich ihn, er wollte mir unbeschwert erzählen, wie er in einen so armseligen Stand geraten wäre? denn ich bildete mir ein, er möchte vielleicht wichtiger Ursachen oder sonst eines Übersehens halber von seiner vorigen Dignität verstoßen, unredlich gemacht und in gegenwärtig Elend gesetzt worden sein; er aber sagte: »Bruder du weißt, daß ich des Grafen von Götz Factotum und allerliebster geheimster Freund gewesen, hingegen ist dir auch genugsam bekannt, was die verwichene Kampagne unter seinem Generalat und Kommando für ein unglückselige Endschaft erreicht, indem wir nicht allein die Schlacht bei Wittenweir verloren, sondern noch dazu das belagerte Breisach zu entsetzen nit vermocht haben: Weil denn nun deswegen hin und wieder vor aller Welt sehr ungleich

Weitere Kostenlose Bücher