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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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Sylphorum
    Plinius schreibt im End des zweiten Buchs vom Geometra Dionysio Doro, daß dessen Freunde einen Brief in seinem Grab gefunden, den er, Dionysius, geschrieben und darinnen berichtet, daß er aus seinem Grab bis in das mittelste Centrum der Erden sei kommen, und befunden, daß 42 000 Stadia bis dahin seien; der Fürst über den Mummelsee aber, so mich begleitet' und obigergestalt vom Erdboden hinweggeholet hatte, sagte mir für gewiß, daß sie aus dem Centro Terrae bis an die Luft durch die halbe Erd just 900 teutscher Meilen hätten, sie wollten gleich nach Teutschland oder zu deren Antipodibus, und solche Reisen müßten sie alle durch dergleichen Seen nehmen, deren hin und wieder soviel in der Welt als Tag im Jahr seien, welcher Ende oder Abgründe alle bei ihres Königs Wohnung zusammenstießen. Diese große Weite nun passierten wir ehe als in einer Stunde, also daß wir mit unserer schnellen Reis des Monds Lauf sehr wenig oder gar nichts bevor gaben, und dennoch geschah solches so gar ohne alle Beschwerung, daß ich nicht allein keine Müdigkeit empfand, sondern auch in solchem sanften Abfahren mit obgemeldtem Mummelseerprinzen allerhand diskurrieren konnte, denn da ich seine Freundlichkeit vermerkte, fragte ich ihn, zu was Ende sie mich einen so weiten, gefährlichen und allen Menschen ohngewöhnlichen Weg mit sich nähmen? Da antwortet' er mir gar bescheiden, der Weg sei nit weit, den man in einer Stund spazieren könnte, und nit gefährlich, dieweil ich ihn und seine Gesellschaft mit dem überreichten Stein bei mir hätte, daß er mir aber ungewöhnlich vorkomme, sei sich nichts zu verwundern; sonst hätte er mich nicht allein aus seines Königs Befehl, der etwas mit mir zu reden, abgeholt, sondern daß ich auch gleich die seltsamen Wunder der Natur unter der Erden und in Wassern beschauen sollte, deren ich mich zwar bereits auf dem Erdboden verwundert, ehe ich noch kaum einen Schatten davon gesehen. Darauf bat ich ihn ferner, er wollte mich doch berichten, zu was End der gütige Schöpfer so viel wunderbarliche Seen erschaffen, sintemal sie, wie mich dünkte, keinem Menschen nichts nützten, sondern viel ehender Schaden bringen könnten? Er antwortet': »Du fragst billig um dasjenige, was du nicht weißt oder verstehest, diese Seen sind dreierlei Ursachen willen erschaffen: Denn erstlich werden durch sie alle Meer, wie die Namen haben, und sonderlich der große Oceanus, gleichsam wie mit Nägeln an die Erde geheftet; zweitens werden von uns durch diese Seen (gleichsam als wie durch Teichel, Schläuche oder Stiefeln bei einer Wasserkunst, deren ihr Menschen euch gebrauchet) die Wasser aus dem abyssu des Oceani in alle Quellen des Erdbodens getrieben (welches denn unser Geschäft ist), wovon alsdann alle Brunnen in der ganzen Welt fließen, die großen und kleinen Wasserflüß entstehen, der Erdboden befeuchtiget, die Gewächse erquickt, und beides Menschen und Vieh getränkt werden; drittens, daß wir als vernünftige Kreaturen Gottes hierin leben, unser Geschäft verrichten und Gott den Schöpfer in seinen großen Wunderwerken loben sollen! Hierzu nun sind wir und solche Seen erschaffen und werden auch bis an den jüngsten Tag bestehen; wenn wir aber gegen dieselbe letzte Zeit unsere Geschäfte, dazu wir von Gott und der Natur erschaffen und verordnet sind, aus einer oder andern Ursach unterlassen müssen, so muß auch notwendig die Welt durchs Feuer untergehen, so aber vermutlich nit ebender geschehen kann, es sei denn, daß ihr den Mond (donec auferatur luna, Psal. 71), Venerem oder Martem, als Morgen- und Abendstern verlieret, denn es mußten die generationes fructu- & animalium erst vergehen und alle Wasser verschwinden, ehe sich die Erde von sich selbst durch der Sonnen Hitz entzünde, calciniere und wiederum regeneriere; solches aber gebührt uns nicht zu wissen, ist auch allein Gott bekannt, außer was wir etwa mutmaßen und eure Chymici aus ihrer Kunst daherlallen.«
    Da ich ihn so reden und die Hl. Schrift anziehen hörete, fragte ich, ob sie sterbliche Kreaturen wären, die nach der jetzigen Welt auch ein künftiges Leben zu hoffen hätten? oder ob sie Geister seien, welche solang die Welt stünde nur ihre anbefohlenen Geschäfte verrichteten? Darauf antwortet' er: »Wir sind keine Geister, sondern sterbliche Leutlein, die zwar mit vernünftigen Seelen begabt, welche aber samt den Leibern dahinsterben und vergehen; Gott ist zwar so wunderbar in seinen Werken, daß sie keine Kreatur

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