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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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hochlöblichen Fürsten zu Nutz und manchem elenden Kranken zur Wohlfahrt und Gesundheit diesen heilsamen Sauerbrunnen zu offenbaren; was sollts sein, wenngleich etwa jeder ein paar Tag dazu fronte?« »Was«, sagten sie, »wir wollten dich, damit dein Sauerbrunnen verborgen bleibe, ehender im Fron totschlagen.« »Ihr Vögel«, sagte ich, »es müßten eurer mehr sein!« zückte darauf meinen Prügel und jagte sie damit für alle Sankt Velten hinweg, ging folgends gegen Niedergang und Mittag bergabwärts und kam nach vieler Mühe und Arbeit gegen Abend wieder heim auf meinen Baurenhof, im Werk wahr zu sein befindend, was mir mein Knan zuvor gesagt hatte, daß ich nämlich von dieser Wallfahrt nichts als müde Bein und den Hergang für den Hingang haben würde.

Das 19. Kapitel
    Etwas wenigs von den ungarischen Wiedertäufern, und ihrer Art zu leben
    Nach meiner Heimkunft hielt ich mich gar eingezogen, mein größte Freud und Ergötzung war, hinter den Büchern zu sitzen, deren ich mir denn viel beischaffte, die von allerhand Sachen traktierten, sonderlich solche, die ein' großen Nachsinnens bedurften; das was die Grammatici und Schulfüchse wissen müßten, war mir bald erleidet, und eben also wurde ich der Arithmeticae auch gleich überdrüssig, was aber die Musicam anbelangt, haßte ich dieselbe vorlängst wie die Pest, wie ich denn meine Laute zu tausend Stücken schmiß; die Mathematica und Geometria fand noch Platz bei mir, sobald ich aber von diesen ein wenig zu der Astronomia geleitet wurde, gab ich ihnen auch Feierabend und hing dieser samt der Astrologia ein Zeitlang an, welche mich denn trefflich delektierten, endlich kamen sie mir auch falsch und ungewiß vor, also daß ich mich auch nicht länger mit ihnen schleppen mochte, sondern griff nach der Kunst' Raimundi Lulli, fand aber viel Geschrei und wenig Wollen, und weil ich sie für eine Topicam hielt, ließ ich sie fahren und machte mich hinter die Cabbalam der Hebräer und Hieroglyphicas der Ägypter, fand aber die allerletzte und aus allen meinen Künsten und Wissenschaften, daß kein besser Kunst sei, als die Theologia, wenn man vermittelst derselbigen Gott liebet und ihm dienet! Nach der Richtschnur derselbigen erfand ich für die Menschen eine Art zu leben, die mehr englisch als menschlich sein könnte, wenn sich nämlich eine Gesellschaft zusammentäte, beides von verehelichten und ledigen so Manns- als Weibspersonen, die auf Manier der Wiedertäufer allein sich beflissen, unter einem verständigen Vorsteher durch ihrer Hand Arbeit ihren leiblichen Unterhalt zu gewinnen und sich die übrigen Zeiten mit dem Lob und Dienst Gottes und ihrer Seelen Seligkeit zu bemühen; denn ich hatte hiebevor in Ungarn auf den wiedertäuferischen Höfen ein solches Leben gesehen, also daß ich, wofern dieselben guten Leut mit andern falschen und der allgemeinen christlichen Kirchen widerwärtigen ketzerischen Meinung nicht wären verwickelt und vertieft gewesen, ich mich von freien Stücken zu ihnen geschlagen oder wenigst ihr Leben für das seligste in der ganzen Welt geschätzt hätte, denn sie kamen mir in ihrem Tun und Leben allerdings vor wie Josephus und andere mehr die jüdischen Essäer beschrieben. Sie hatten erstlich große Schätze und überflüssige Nahrung, die sie aber keineswegs verschwendeten, kein Fluch, Murmelung noch Ungeduld wurde bei ihnen gespürt, ja man hörete kein unnützes Wort; da sah ich die Handwerker in ihren Werkstätten arbeiten, als wenn sie es verdingt hätten; ihr Schulmeister instruierte die Jugend, als wenn sie alle seine leiblichen Kinder gewesen wären; nirgends sah ich Manns- und Weibsbilder untereinander vermischt, sondern an jedem bestimmten Ort auch jedes Geschlecht absonderlich seine obliegende Arbeit verrichten; ich fand Zimmer, in welchen nur Kindbetterinnen waren, die ohne Obsorg ihrer Männer durch ihre Mitschwestern mit aller notwendigen Pfleg samt ihren Kindern reichlich versehen wurden, andere sonderbare Säle hatten nichts anders in sich als viel Wiegen mit Säuglingen, die von hierzu bestimmten Weibern mit Wischen und Speisen beobachtet wurden, daß sich deren Mütter ferners nicht um sie bekümmern durften, als wenn sie täglich zu dreien gewissen Zeiten kamen, ihnen ihre milchreichen Brüste zu bieten: und dieses Geschäfte den Kindbetterinn' und Kindern abzuwarten war allein den Witwen anbefohlen; anderswo sah ich das weibliche Geschlecht sonst nichts tun als spinnen, also daß man über die hundert Kunkeln

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