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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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oder Spinnrocken in einem Zimmer beieinander antraf; da war eine ein Wäscherin, die ander eine Bettmacherin, die dritte Viehmagd, die vierte Schüsselwäscherin, die fünfte Kellerin, die sechste hatte das weiß Zeug zu verwalten, und also auch die übrigen alle wußte ein jedwede was sie tun sollte; und gleichwie die Ämter unter dem weiblichen Geschlecht ordentlich ausgeteilet waren, also wußte auch unter den Männern und Jünglingen jeder sein Geschäfte; wurde einer oder eine krank, so hatte er oder dieselbe einen sonderbaren Krankenwärter oder Wärterin, auch beide Teil einen allgemeinen Medicum und Apotheker; wiewohl sie wegen löblicher Diät und guter Ordnung selten erkranken, wie ich denn manchen feinen Mann in hohem gesundem und geruhigem Alter bei ihnen sah, dergleichen anderswo wenig anzutreffen; sie hatten ihre gewissen Stunden zum Essen, ihre gewissen Stunden zum Schlafen, aber kein einzige Minut zum Spielen noch Spazieren, außerhalb die Jugend, welche mit ihrem Präzeptor jedesmal nach dem Essen der Gesundheit halber ein Stund spazieren gehen: mithin aber beten und geistliche Gesänge singen mußte. Da war kein Zorn, kein Eifer, kein Rachgier, kein Neid, kein Feindschaft, kein Sorg um Zeitlichs, kein Hoffart, kein Reu! In Summa, es war durchaus eine solche liebliche Harmonia, die auf nichts anders angestimmt zu sein schien, als das menschlich Geschlecht und das Reich Gottes in aller Ehrbarkeit zu vermehren; kein Mann sah sein Weib, als wenn er auf die bestimmte Zeit sich mit derselbigen in seiner Schlafkammer befand, in welcher er sein zugerichtes Bett und sonst nichts dabei als sein Nachtgeschirr neben einem Wasserkrug und weißen Handzwehl fand, damit er mit gewaschenen Händen beides schlafen gehen und den Morgen wieder an seine Arbeit aufstehen möchte; überdas hießen sie alle einander Schwestern und Brüder, und war doch eine solche ehrbare Vertraulichkeit keine Ursach unkeusch zu sein. Ein solch seliges Leben, wie diese wiedertäuferischen Ketzer führen, hätte ich gerne auch aufgebracht, denn soviel mich dünkte, so übertraf es auch das klösterliche. Ich gedachte: »Könntest du ein solches ehrbares christliches Tun aufbringen unter dem Schutz deiner Obrigkeit, so wärest du ein anderer Dominikus oder Franziskus. Ach«, sagte ich oft, »könntest du doch die Wiedertäufer bekehren, daß sie unsere Glaubensgenossen ihre Manier zu leben lehreten, wie wärest du doch so ein seliger Mensch! Oder wenn du nur deine Mitchristen bereden könntest, daß sie wie diese Wiedertäufer ein solches (dem Schein nach) christliches und ehrbares Leben führten, was hättest du nicht ausgerichtet?« Ich sagte zwar zu mir selber: »Narr, was gehen dich andere Leut an, werde ein Kapuziner, dir sind ohnedas alle Weibsbilder erleidet.« Aber bald gedachte ich: »Du bist morgen nicht wie heut, und wer weiß, was du künftig für Mittel bedürftig, den Weg Christi recht zu gehen? heut bist du geneigt zur Keuschheit, morgen aber kannst du brennen.«
    Mit solchen und dergleichen Gedanken ging ich lang um und hätte gerne so einer vereinigten christlichen Gesellschaft meinen Hof und ganzes Vermögen zum besten gegeben, unter derselben ein Mitglied zu sein. Aber mein Knan prophezeite mir stracks, daß ich wohl nimmermehr solche Bursch zusammenbringen würde.

Das 20. Kapitel
    Hält in sich einen kurzweiligen Spazierweg, vom Schwarzwald bis nach Moskau in Reußen
    Denselbigen Herbst näherten sich französische, schwedische und hessische Völker, sich bei uns zu erfrischen und zugleich die Reichsstadt in unserer Nachbarschaft, die von einem engländischen König erbaut und nach seinem Namen genannt worden, blockiert zu halten, deswegen denn jedermann sich selbst samt seinem Vieh und besten Sachen in die hohen Wälder flehnte; ich machte es wie meine Nachbarn und ließ das Haus ziemlich leer stehn, in welches ein reformierter schwedischer Obrist logiert wurde. Derselbige fand in meinem Kabinett noch etliche Bücher, denn ich in der Eil nicht alles wegbringen konnte, und unter andern einige mathematischen und geometrischen Abriß, auch etwas vom Fortifikationwesen, womit vornehmlich die Ingenieur umgehen, schloß derhalben gleich, daß sein Quartier keinem gemeinen Bauren zuständig sein müßte; fing derowegen an, sich um meine Beschaffenheit zu erkundigen und meiner Person selbsten nachzutrachten, maßen er selbsten durch courtoise Zuentbietungen und untermischte Drohwort mich dahin brachte, daß ich mich zu ihm auf

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