Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
meinen Hof begab, daselbst traktierte er mich gar höflich und hielt seine Leut dahin, daß sie mir nichts unnützlich verderben oder umbringen sollten. Mit solcher Freundlichkeit brachte er zuwegen, daß ich ihm all meine Beschaffenheit, vornehmlich aber mein Geschlecht und Herkommen vertraute. Darauf verwundert' er sich, daß ich mitten im Krieg so unter den Baurn wohnen und zusehen mochte, daß ein anderer sein Pferd an meinen Zaun binde, da ich doch mit bessern Ehren das meinig an eines andern binden könnte; ich sollte (sagte er) den Degen wieder anhängen und meine Gaben, die mir Gott verliehen hätte, nicht so hinterm Ofen und beim Pflug verschimmlen lassen, er wüßte, wenn ich schwedische Dienst annehmen würde, daß mich meine Qualitäten und Kriegswissenschaften bald hoch anbringen würden: Ich ließ mich hierzu gar kaltsinnig an und sagte, daß die Beförderung in weitem Feld stünde, wenn einer keine Freund hätte, die einem unter die Arm griffen; hingegen replizierte er, meine Beschaffenheiten würden mir schon beides Freunde und Beförderung schaffen, überdas zweifle er nicht, daß ich nit Verwandte bei der schwedischen Hauptarmee antreffen würde, die auch etwas gelten, da bei derselben viel vornehme Schottische von Adel sich befänden; ihm zwar (sagte er ferner) sei vom Torstenson ein Regiment versprochen, wenn solches gehalten würde, woran er denn gar nit zweifele, so wollte er mich alsbald zu seinem Obristleutnant machen. Mit solchen und dergleichen Worten machte er mir das Maul ganz wässerig, und weilen noch schlechte Hoffnung auf den Frieden zu machen war und ich deswegen sowohl fernerer Einquartierung als gänzlichem Ruin unterworfen, also resolviert ich mich wiederum mitzumachen, und versprach dem Obristen, mich mit ihm zu begeben, wofern er mir seine Parol halten und die Obristleutnantstelle bei seinem künftigen Regiment geben wollte.
Also wurde die Glock gegossen; ich ließ meinen Knan oder Petter holen, derselbe war noch mit meinem Vieh zu Bairischbrunn, dem und seinem Weib verschrieb ich meinen Hof für Eigentum, doch daß ihn nach seinem Tod mein Bastard Simplicius, der mir vor die Tür gelegt worden, samt aller Zugehörde erben sollte, weil keine ehelichen Erben vorhanden; folgends holte ich mein Pferd und was ich noch für Geld und Kleinodien hatte, und nachdem ich alle meine Sachen richtig und wegen Auferziehung erstermeldten meines wilden Sohns Anstalt gemacht, wurde angeregte Blockada unversehens aufgehoben, also daß wir aufbrechen und zu der Hauptarmee marschieren mußten, ehe wirs uns versahen; ich agierte bei diesem Obristen einen Hofmeister und erhielt mit seinen Knechten und Pferden ihn und seine ganze Haushaltung mit Stehlen und Rauben, welches man auf soldatisch fouragieren nennet.
Die Torstensonischen Promessen, mit denen er sich auf meinem Hof so breit gemacht, waren bei weitem nit so groß als er vorgeben, sondern wie mich bedünkte wurde er vielmehr nur über die Achsel angesehen: »Ach!« sagte er dann gegen mich, »was für ein schlimmer Hund hat mich bei der Generalität eingehauen, da wird meines Verbleibens nicht lang sein.« Und demnach er argwöhnete, daß ich mich bei ihm in die Läng nicht gedulden würde, dichtet' er Brief', als wenn er in Livland, allwo er denn zu Haus war, ein frisch Regiment zu werben hätte, und überredete mich damit, daß ich gleich ihm zu Wismar aufsaß, und mit ihm nach Livland fuhr. Da war es nun auch ›nobis‹, denn er hatte nicht allein kein Regiment zu werben, sondern war auch sonsten ein blutarmer Edelmann, und was er hatte, war von seinem Weib da.
Ob nun ich zwar mich zweimal betrügen und so weit hinwegführen lassen, so ging ich doch auch das drittemal an, denn er wies mir Schreiben vor, die er aus der Moskau bekommen, in welchen ihm (seinem Vorgeben nach) hohe Kriegschargen angetragen wurden, maßen er mir dieselbigen Schreiben so verteutschte und von richtiger und guter Bezahlung trefflich aufschnitt: Und weilen er gleich mit Weib und Kind aufbrach, dachte ich, ›er wird ja um der Gäns willen nicht hinziehen‹; begab mich derowegen voll guter Hoffnung mit ihm auf den Weg, weil ich ohnedas kein Mittel und Gelegenheit sah, für diesmal wieder zurück nach Teutschland zu kehren; sobald wir aber über die reußische Grenze kamen, und uns unterschiedliche abgedankte teutsche Soldaten, vornehmlich Offizier begegneten, fing mir an zu graueln und sagte zu meinem Obristen: »Was Teufels machen wir? wo Krieg ist, da ziehen wir
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