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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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sondern auch seine vornehmsten Fürsten und geheimsten Rät selbst davor entsetzten; zuletzt lief er mit den Hörnern wider die Felsen, daß die ganze Höll davon zitterte, und fing dergestalt an zu wüten und toben, daß die Seinigen sich nichts anders einbilden konnten, als er würde entweder gar abreisen oder ganz toll und töricht werden; maßen sich ein Zeitlang niemand erkühnen durfte sich zu ihm zu nahen, weniger ein einziges Wörtlein mit ihm zu sprechen.
    Endlich wurde Belial so keck und sagte: »Großmächtiger Fürst, was sind das für Gebärden von einer solchen unvergleichlichen Hochheit? wie? hat der größte Herr seiner selbst vergessen? oder was soll uns doch diese ungewöhnliche Weis bedeuten, die Eurer herrlichen Majestät weder nützlich noch rühmlich sein kann?« »Ach!« antwortet' Luzifer, »ach! ach wir haben allesamt verschlafen und durch unsere eigene Faulheit zugelassen, daß Lerna malorum, unser liebstes Gewächs, das wir auf dem ganzen Erdboden hatten und mit so großer Mühe gepflanzt, mit so großem Fleiß erhalten und die Früchte davon jeweils mit so großem Wucher eingesammelt, nunmehr aus den teutschen Grenzen gereutet, auch wenn wir nicht anders dazu tun, besorglich aus ganz Europa geworfen wird! und gleichwohl ist keiner unter euch allen, der solches recht beherzige! Ists uns nicht allen eine Schand, daß wir die wenigen Täglein, welche die Welt noch vor sich hat, so liederlich verstreichen lassen? ihr schläferigen Maulaffen, wißt ihr nicht daß wir in dieser letzten Zeit unsere reichste Ernt haben sollen? das ist mir gegen das End der Welt auf Erden schön dominiert, wenn wir wie die alten Hund zur Jagd verdrossen und untüchtig werden wollen; der Anfang und Fortgang des Kriegs sah unserm verhofften fetten Schnitt zwar gleich, was haben wir aber jetzt zu hoffen? da Mars Europam bis auf Polen quittiert, dem Lerna malorum auf dem Fuß nachzufolgen pflegt.
    Als er diese Meinung vor Bosheit und Zorn mehr herausgedonnert als geredet hatte, wollte er die vorige Wut wieder angehen; aber Belial machte daß er sichs noch enthielt, da er sagte: »Wir müssen deswegen den Mut nicht sinken lassen, noch uns gleich stellen wie die schwachen Menschen, die ein widerwärtiger Wind anbläst, weißt du nicht, o großer Fürst, daß mehr durch den Wein als durchs Schwert fallen? sollte dem Menschen, und zwar den Christen, ein geruhiger Fried, welcher die Wollust auf dem Rücken mit sich bringt, nicht schädlicher sein als Mars? ist nicht gnug bekannt, daß die Tugenden der Braut Christi nie heller leuchten als mitten in höchster Trübsal?« »Mein Wunsch und Will aber ist«, antwortet' Luzifer, »daß die Menschen sowohl in ihrem zeitlichen Leben in lauter Unglück, als nach ihrem Hinsterben in ewiger Qual sein sollen; dahingegen unsere Saumsal endlich zugeben wird, daß sie zeitliche Wohlfahrt genießen, und endlich noch dazu die ewige Seligkeit besitzen werden.« »Ha«, antwortet' Belial, »wir wissen ja beide meine Profession, vermittelst deren ich wenig Feiertag halten, sondern mich dergestalt tummlen werde, deinen Willen und Wunsch zu erlangen, daß Lerna malorum noch länger bei Europa verbleiben oder doch diese Dam' andere Kletten ins Haar kriegen soll; allein wird deine Hochheit auch bedenken, daß ich nichts erzwingen kann, wenn ihr das Numen ein anders gönnet.«

Das 3. Kapitel
    Seltsame Aufzüg etlichen höllischen Hofgesinds und dergleichen Bursch
    Das freundlich Gespräch dieser zweien höllischen Geister war so ungestüm und schrecklich, daß es einen Hauptlärmen in der ganzen Höllen erregte, maßen in einer Geschwinde das ganze höllisch Heer zusammenkam, um zu vernehmen, was etwa zu tun sein möchte; da erschien Luzifers erstes Kind, die Hoffart mit ihren Töchtern, der Geiz mit seinen Kindern, der Zorn samt Neid und Haß, Rachgier, Mißgunst, Verleumdung und was ihnen weiters verwandt war, sodann auch Wollust mit ihrem Anhang, als Geilheit, Fraß, Müßiggang und dergleichen, item die Faulheit, die Untreu, der Mutwill, die Lügen, der Vorwitz so Jungfern teuer macht, die Falschheit mit ihrem lieblichen Töchterlein der Schmeichelei, die anstatt der Windfach einen Fuchsschwanz trug, welches alles ein seltsamen Aufzug abgab und verwunderlich zu sehen war, denn jedes kam in sonderbarer eigner Liberei daher; ein Teil war aufs prächtigst herausgeputzt, das ander ganz bettelhaftig angetan, und das dritte, als die Unschamhaftigkeit und dergleichen, ging beinahe überall nackend;

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