Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Heulen, Weinen und Weheklagen ohne Aufhören, Hitz ohne Kühlung, Feuer ohne Löschung, Kält ohne Maß und Elend ohne End.
Behüt dich Gott o Welt, denn anstatt deiner verheißenen Freud und Wollüste werden die bösen Geister an die unbußfertige verdammte Seel Hand anlegen, und sie in einem Augenblick in Abgrund der Höllen reißen; daselbst wird sie anders nichts sehen und hören, als lauter erschreckliche Gestalten der Teufel und Verdammten, eitele Finsternis und Dampf, Feuer ohne Glanz, Schreien, Heulen, Zähnklappern und Gottslästern; alsdann ist alle Hoffnung der Gnad und Milderung aus, kein Ansehen der Person ist vorhanden, je höher einer gestiegen und je schwerer einer gesündiget, je tiefer er wird gestürzt und je härtere Pein er muß leiden; dem viel geben ist, von dem wird viel gefordert, und je mehr einer sich bei dir, o arge schnöde Weltl hat herrlich gemacht, je mehr schenkt man ihm Qual und Leiden ein, denn also erforderte die göttliche Gerechtigkeit.
Behüt dich Gott o Welt, denn obwohl der Leib bei dir ein Zeitlang in der Erden liegen bleibt und verfaulet, so wird er doch am jüngsten Tag wieder aufstehn, und nach dem letzten Urteil mit der Seel ein ewiger Höllenbrand sein müssen; alsdann wird die arme Seel sagen: ›Verflucht seist du Welt! weil ich durch dein Anstiften Gottes und meiner selbst vergessen, und dir in aller Üppigkeit, Bosheit, Sünd und Schand die Tag meines Lebens gefolgt hab; verflucht sei die Stund, in der mich Gott erschuf! verflucht sei der Tag, darin ich in dir o arge böse Welt geborn bin! O ihr Berg, Hügel und Felsen fallet auf mich, und verbergt mich vor dem grimmigen Zorn des Lamms, vor dem Angesicht dessen, der auf dem Stuhl sitzet; ach Wehe und aber Wehe in Ewigkeit!‹
O Welt! du unreine Welt, derhalben beschwöre ich dich, ich bitte dich, ich ersuche dich, ich ermahne und protestiere wider dich, du wollest kein Teil mehr an mir haben; und hingegen begehre ich auch nicht mehr in dich zu hoffen, denn du weißt, daß ich mir hab vorgenommen, nämlich dieses: Posui finem curis, spes & fortuna valete.«
Alle diese Wort erwog ich mit Fleiß und stetigem Nachdenken, und bewogen mich dermaßen, daß ich die Welt verließ und wieder ein Einsiedel ward: Ich hätte gern bei meinem Saurbrunnen im Mückenloch gewohnt, aber die Baurn in der Nachbarschaft wollten es nicht leiden, wiewohl es für mich ein angenehme Wildnis war; sie besorgten, ich würde den Brunnen verraten und ihre Obrigkeit dahin vermögen, daß sie wegen nunmehr erlangten Friedens Weg und Steg dazu machen müßten. Begab mich derhalben in eine andere Wildnis, und fing mein Spessarter Leben wieder an; ob ich aber wie mein Vater sel. bis an mein End darin verharren werde, stehet dahin. Gott verleihe uns allen seine Gnade, daß wir allesamt dasjenige von ihm erlangen, woran uns am meisten gelegen, nämlich ein seliges
Ende
Continuatio des abenteuerlichen Simplicissimi oder
Der Schluß desselben
O wunderbares Tun! O unbeständige Stehen,
Wann einer wähnt er steh, so muß er fürder gehen,
O schlüpferigster Stand! dem für vermeinte Ruh
Schnell und zugleich der Fall sich nähert zu,
Gleich wie der Tod selbst tut; was solch hinflüchtig Wesen
Mir habe zugefügt, wird hierinnen gelesen;
Woraus zu sehen ist daß Unbeständigkeit
Allein beständig sei, immer in Freud und Leid.
Das 1. Kapitel
Ist ein kleine Vorrede und kurze Erzählung, wie dem neuen Einsiedler sein Stand zuschlug
Wenn sich jemand einbildet, ich erzähle nur darum meinen Lebenslauf, damit ich einem und anderem die Zeit kürzen, oder wie die Schalksnarrn und Possenreißer zu tun pflegen, die Leut zum Lachen bewegen möchte, so findet sich derselbe weit betrogen! denn viel Lachen ist mir selbst ein Ekel, und wer die edle ohnwiederbringliche Zeit vergeblich hinstreichen läßt, der verschwendet diejenige göttliche Gab ohnnützlich, die uns verliehen wird, unserer Seelen Heil in und vermittelst derselbigen zu wirken; warum sollte ich denn zu solcher eitelen Torheit verholfen, und ohne Ursach vergebens anderer Leut kurzweiliger Rat sein? Gleichsam als ob ich nicht wüßte, daß ich mich hierdurch fremder Sünden teilhaftig machte. Mein lieber Leser, ich bedünke mich gleichwohl zu solcher Profession um etwas zu gut zu sein, wer derowegen einen Narren haben will, der kaufe sich zween, so hat er einen zum besten; daß ich aber zuzeiten etwas possierlich aufziehe, geschiehet der Zärtling halber, die
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