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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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keine heilsamen Pillulen können verschlucken, sie seien denn zuvor überzuckert und vergüldt; geschweige daß auch etwa die allergravitätischsten Männer, wenn sie lauter ernstliche Schriften lesen sollen, das Buch ehender hinwegzulegen pflegen, als ein anders, das bei ihnen bisweilen ein kleines Lächlen herauspresset. Ich möchte vielleicht auch beschuldigt werden, als ging' ich zuviel satyrice drein; dessen bin ich aber gar nicht zu verdenken, weil männiglich lieber geduldet, daß die allgemeinen Laster gerneraliter durchgehechelt und gestraft, als die eignen Untugenden freundlich korrigiert werden. So ist der theologische Stilus beim Herrn Omne (dem ich aber diese meine Histori erzähle) zu jetzigen Zeiten leider auch nicht so gar angenehm, daß ich mich dessen gebrauchen sollte; solches kann an einem Marktschreier oder Quacksalber (welche sich selbst vornehme Arzt, Okulisten, Bruch- und Steinschneider nennen, auch ihre guten pergamentenen Brief und Siegel drüber haben) augenscheinlich abnehmen, wenn er am offnen Markt mit seinem Hans Wurst oder Hans Supp auftritt, und auf den ersten Schrei und phantastischen krummen Sprung seines Narren mehr Zulaufs und Anhörer bekommt, als der eiferigste Seelenhirt, der mit allen Glocken dreimal zusammenläuten lassen, seinen anvertrauten Schäflein ein fruchtbare heilsame Predigt zu tun.
    Dem sei nun wie ihm wolle, ich protestiere hiemit vor aller Welt, kein Schuld zu haben, wenn sich jemand deswegen ärgert, daß ich den Simplicissimum auf diejenige Mode ausstaffiert, welche die Leut selbst erfordern, wenn man ihnen etwas Nützlichs beibringen will; läßt sich aber indessen ein und anderer der Hülsen genügen und achtet des Kernen nicht, der darinnen verborgen steckt, so wird er zwar als von einer kurzweiligen Histori seine Zufriedenheit, aber gleichwohl dasjenig bei weitem nicht erlangen, was ich ihn zu berichten eigentlich bedacht gewesen; fange demnach wiederum an, wo ichs im End des fünften Buchs bewenden lassen.
    Daselbst hat der geliebte Leser verstanden, daß ich wiederum ein Einsiedler worden, auch warum solches geschehen; gebühret mir derowegen nunmehr zu erzählen, wie ich mich in solchem Stand verhalten. Die ersten paar Monat, alldieweil auch die erste Hitz noch dauret, gings trefflich wohl ab, die Begierde der fleischlichen Wollüste oder besser zu sagen Unlüste, denen ich sonst trefflich ergeben gewesen, dämpfte ich gleich anfangs mit ziemlicher geringer Mühe, denn weil ich dem Baccho und der Cereri nicht mehr dienete, wollte Venus auch nicht mehr bei mir einkehren; aber damit war ich drum bei weitem nit vollkommen, sondern hatte stündlich tausendfältige Anfechtungen; wenn ich etwa an meine alten begangnen losen Stücklein gedachte, und eine Reu dadurch zu erwecken, so kamen mir zugleich die Wollüste mit ins Gedächtnis, deren ich etwa da und dort genossen, welches mir nit allemal gesund war, noch zu meinem geistlichen Fortgang auferbaulich; wie ich mich seithero erinnert und der Sach nachgedacht, ist der Müßiggang mein größter Feind und die Freiheit (weil ich keinem Geistlichen unterworfen, der meiner gepflegt und wahrgenommenen hätte) die Ursach gewesen, daß ich nicht in meinem angefangenen Leben beständig verharret. Ich wohnete auf einem hohen Gebirg, die Moos genannt, so ein Stück vom Schwarzwald und überall mit einem finstern Tannenwald überwachsen ist; von demselben hatte ich ein schönes Aussehen gegen Aufgang in das Oppenauer Tal und dessen Nebenzinken; gegen Mittag in das Kinziger Tal und die Grafschaft Geroldseck, allwo dasselbe hohe Schloß zwischen seinen benachbarten Bergen das Ansehen hat wie der König in einem aufgesetzten Kegelspiel; gegen Niedergang konnte ich das Ober- und Unterelsaß übersehen, und gegen Mitternacht der Niedern Markgrafschaft Baden zu den Rheinstrom hinunter, in welcher Gegend die Stadt Straßburg mit ihrem hohen Münsterturm gleichsam wie das Herz mitten mit einem Leib beschlossen hervorpranget; mit solchem Aussehen und Betrachtungen so schöner Landsgegend delektierte ich mich mehr als ich eiferig betete; wozu mich mein Perspektiv, dem ich noch nicht resigniert, trefflich anfrischte; wenn ich mich aber desselbigen wegen der dunklen Nacht nicht mehr gebrauchen konnte, so nahm ich mein Instrument, welches ich zu Stärkung des Gehörs erfunden, zuhanden und horchte dadurch, wie etwa auf etlich Stund Wegs weit von mir die Baurenhund bellen, oder sich ein Gewild in meiner Nachbarschaft regte; mit

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