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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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bekamen diejenigen so mit uns umgingen den fünften Gewinn zu Lohn. In solchem Stand mußten wir verharren, bis beides Sonn und Wind uns unserer letzteren Feuchtigkeit beraubt und uns mitsamt dem Regen wohl gebleicht hatten; darauf wurden wir von unserem Bauren einem Hänfer oder Hanfbereiter um den sechsten Gewinn verkauft. Also bekamen wir den vierten Herrn, seit ich nur ein Samkörnlein gewesen war; derselbe legte uns unter einen Schopf in eine kurze Ruhe, nämlich so lang bis er anderer Geschäfte halber der Weil hatte und Taglöhner haben konnte, uns ferners zu quälen; da denn der Herbst und alle anderen Feldarbeiten vorbei waren, nahm er uns nacheinander hervor, stellte uns zweidutzendweis in ein kleines Stübel hinter dem Ofen und heizte dermaßen ein, als wenn wir die Franzosen hätten ausschwitzen sollen, in welcher höllischen Not und Gefahr ich oft gedachte, wir würden dermaleins samt dem Haus in Flammen gen Himmel fahren, wie denn auch oft geschiehet; wenn wir dann durch solche Hitz viel feuerfähiger wurden als die besten Schwefelhölzlein, überantwortet' er uns noch einem strengen Henker, welcher uns handvollweis unter die Brech nahm und alle unsere innerlichen Gliedmaßen hunderttausendmal kleiner zerstieß, als man dem ärgsten Erzmörder mit dem Rad zu tun pflegt; uns hernach aus allen Kräften um einen Stock herum schlagend, damit unsere zerbrochenen Gliedmaßen sauber herausfallen sollten, also daß es ein Ansehen hatte, als wenn er unsinnig worden wäre, und ihm der Schweiß, und zuzeiten auch ein Ding so sich darauf reimet, darüber ausging; hierdurch wurde dieses der siebente, so unsertwegen einen Gewinn hintrug.
    Wir gedachten, nunmehr könnte nichts mehr ersonnen werden, uns ärger zu peinigen, vornehmlich weil wir dergestalt voneinander separiert und hingegen doch miteinander also konjungiert und verwirret waren, daß jeder sich selbst und das Seinig nicht mehr kannte; sondern jedweder Haar oder Bast gestehen mußte, wir wären gebrechter Hanf; aber man brachte uns erst auf eine Bleuel, allda wir solchermaßen gestampft, gestoßen, zerquetscht, geschwungen und mit einem Wort zu sagen zerrieben und abgebleuelt worden, als wenn man lauter Amianthum, Asbeston, Bissinum, Seiden oder wenigst einen zarten Flachs aus uns hätte machen wollen; und von solcher Arbeit genoß der Bleuler den achten Gewinn, den die Menschen von mir und meinsgleichen schöpfen. Noch selbigen Tag wurde ich als ein wohlgebleuelter und geschwungner Hanf erst etlichen alten Weibern und jungen Lehrdirnen übergeben, die mir erst die allergrößte Marter antaten, als ich noch nie erfahren, denn sie anatomierten mich auf ihren unterschiedlichen Hecheln dermaßen, daß es nicht auszusprechen ist; da hechelt' man erstlich den groben Kuder, folgends den Spinnhanf und zuletzt den schlechten Hanf von mir hinweg, bis ich endlich als ein zarter Hanf und feines Kaufmannsgut gelobt und zum Verkauf zierlich gestrichen, eingepackt und in einen feuchten Keller gelegt wurde, damit ich im Angriff desto linder und am Gewicht desto schwerer sein sollte; solchergestalt erlangte ich abermal eine kurze Ruhe und freute mich, daß ich dermaleins durch Überstehung so vielen Leids und Leidens zu einer Materi worden, die euch Menschen so nötig und nützlich wäre. Indessen hatten besagte Weibsbilder den neunten Lohn von mir dahin, welches mir einen sonderbaren Trost und Hoffnung gab, wir werden nunmehr (weil wir die neunte als eine englische und allerwunderbarlichste Zahl erlangt und erstritten hätten) aller Marter überhoben sein.«

Das 12. Kapitel
    Obige Materia wird kontinuiert und das Urteil exequiert
    »Den nächsten Markttag trug mich mein Herr in ein Zimmer, welches man eine Faßkammer nennet, wurde ich geschauet, für gerechte Kaufmannswar erkannt und abgewogen, folgends einem Vorkäufler verhandelt, verzollt, auf einen Wagen verdingt, nach Straßburg geführt, ins Kaufhaus geliefert, abermals geschauet, für gut erkannt, verzollt und einem Kaufherrn verkauft, welcher mich durch die Karchelzieher nach Haus führen und in ein sauber Zimmer aufheben ließ; bei welchem Actu mein gewesener Herr, der Hänfer, den zehenten, der Hanfschauer den elften, der Wäger den zwölften, der Zöllner den dreizehenten, der Vorkäufler den vierzehenten, der Fuhrmann den fünfzehenten, das Kaufhaus den sechzehenten und die Karchelzieher, die mich dem Kaufmann heimführten, den siebenzehenten Gewinn bekamen, dieselben nahmen auch mit ihrem Lohn den

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