Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
einem entlaufenen Monacho zu Dienst zu stehen?« Ich antwortet: »Ich höre an deinen Reden wohl, daß du ein nichtswertiger Gesell und keines andern Begräbnis würdig seiest als eben desjenigen, darin ich dich jetzund senden werde; und wird gleich gelten, ob du durch einen König oder Bettler an ein solchen stinkend Ort begraben wirst, davon du so grob und unhöflich sprechen darfst, dessen aber ich mich hingegen herzlich gefreuet; hast du aber etwas deiner Unschuld und dem menschlichen Geschlecht treugeleisteter Dienste wegen vorzubringen, so magst du es tun, ich will dir gern, weil noch jedermann im Hause schläft, Audienz geben und dich nach befindenden Dingen von deinem gegenwärtigen Untergang und Verderben konservieren.«
Hierauf antwortet' das Schermesser: »Meine Voreltern sind erstlich nach Plinii Zeugnis lib. 20 cap. 97 in einem Wald, da sie auf ihrem eignen Erdreich in erster Freiheit wohnten und ihr Geschlecht ausbreiteten, gefunden, in menschliche Dienste als ein wildes Gewächs gezwungen und namentlich Hanf genannt worden; von denselbigen bin ich zu Zeiten Wenceslai in dem Dorf Goldscheur als ein Samen entsprossen und erzielt, von welchem Ort man sagt, daß der beste Hanfsamen in der Welt wachse; daselbst nahm mich mein Erzieler von den Stengeln meiner Eltern und verkaufte mich gegen den Frühling einem Krämer, der mich unter andern fremden Hanfsamen mischte und mit uns schacherte; derselbe Krämer gab mich folgends einem Bauren in der Nachbarschaft zu kaufen und gewann an jedem Sester einen halben Goldgulden, weil wir unversehens aufschlugen und teuer wurden; war also gemeldter Krämer der zweite so an mir gewann, weil mein Erzieler der mich anfänglich verkaufte, den ersten Gewinn schon hinweghatte; der Bauer aber so mich vom Krämer erhandelt, warf mich in einen wohlgebauten fruchtbaren Acker, allwo ich im Gestank des Roß- Schwein- Kühe- und andern Mists vermodern und ersterben mußte; doch brachte ich aus mir selbsten einen hohen stolzen Hanfstengel hervor, in welchen ich mich nach und nach veränderte und stracks zu mir selbst in meiner Jugend sagte: ›Nun wirst du gleich deinen Urahnen ein fruchtbarer Vermehrer deines Geschlechts werden und mehr Körnlein Samen hervorbringen, als jemals einer aus ihnen nicht getan.‹ Aber kaum hatte sich meine Frechheit mit solcher eingebildeten Hoffnung ein wenig gekitzelt, da mußte ich von vielen Vorübergehenden hören: ›Schauet, was für ein Acker voll Galgenkraut!‹ welches ich und meine Brüder alsobalden für kein gut Omen für uns hielten, doch trösteten uns hinwiederum etlicher ehrbaren alten Bauren Reden, wenn sie sagten: Sehet! was für ein schöner trefflicher Hanf ist das!' Aber leider! wir wurden bald hernach gewahr, daß wir von den Menschen beides wegen ihres Geizes und ihrer armseligen Bedürftigkeit nit da gelassen würden, unser Geschlecht ferners zu propagieren; allermaßen als wir bald Samen zu bringen vermeinten, wir von unterschiedlichen starken Gesellen ganz unbarmherzigerweis aus dem Erdreich gezogen und als gefangene Übeltäter in große Gebund zusammengekuppelt worden, für welche Arbeit sie denn ihren Lohn und also den dritten Gewinn empfingen, so die Menschen von uns einzuziehen pflegen.
Damit wars aber noch lang nit genug, sondern unser Leiden und der Menschen Tyrannei fing erst an, aus uns, einem namhaften Gewächs! ein pures Menschengedicht (wie etliche das liebe Bier nennen) zu verkünstlen; denn man schleppte uns in eine tiefe Gruben, packte uns übereinander und beschwerte uns dermaßen mit Steinen, gleichsam als wenn wir in einer Preß gesteckt wären; und hiervon kam der vierte Gewinn denjenigen zu, die solche Arbeit verrichteten; folgends ließ man die Gruben voll Wasser laufen, also daß wir überall überschwemmt würden, gleichsam als ob man uns erst hätte ertränken wollen, unangesehen allbereit schwache Kräfte mehr bei uns waren; in solcher Presse ließ man uns sitzen, bis die Zierde unserer ohnedas bereits verwelkten Blätter folgends verfaulte und wir selbst beinahe erstickten und verdarben. Alsdann ließ man erst das Wasser wieder ablaufen, trug uns aus und setzte uns auf einen grünen Wasen, allwo uns bald Sonn, bald Regen, bald Wind zusetzte, also daß sich die liebliche Luft selbsten ob unserem Elend und Jammer entsetzte, veränderte und alles um uns herum verstänkerte, daß schier niemand bei uns vorüberging, der nit die Nasen zuhielt oder doch wenigst sagte: ›Pfui Teufel!‹ Aber gleichwohl
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