Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
Vom Netzwerk:
allein eingelassen, sondern auch nach vielem Fatzwerk, so das Volk mit mir hatte, von einem ehrlichen wohlhäbigen Bürger freundlich zur Herberg aufgenommen; und zwar so war es Zeit, daß er kam und sich meiner als ein wohlgereister Junker, der ohn Zweifel in der Fremde auf seinen Reisen viel Saurs und Süßes erfahren, erbarmte, weil etliche böse Buben anfingen mich gegen Abend mit Gassenkot zu werfen.

Das 11. Kapitel
    Simplici seltsamer Diskurs mit einem Schermesser
    Mein Gastherr hatte ein halbes Tümmelchen, da er mich heimbrachte, dahero wollte er desto genauer von mir wissen, woher, wohin, was Profession und dergleichen; und da er hörete, daß ich ihm von so vielen unterschiedlichen Ländern, die ich mein Tage durchstrichen, zu sagen wußte, welche sonst nicht bald einem jeden zu sehen werden, als von der Moskau, Tartarei, Persien, China, Türkei und unsern Antipodibus, verwundert' er sich trefflich und traktierte mich mit lauter Veltliner und Etschwein; er hatte selbst Rom, Venedig, Ragusa, Konstantinopel und Alexandriam gesehen; als derowegen ich ihm viel Wahrzeichen und Gebräuch von solchen Örtern zu sagen wußte, glaubte er mir auch was ich ihm von ferneren Ländern und Städten aufschnitt, denn ich regulierte mich nach Samuels von Golau Reimen, wenn er spricht:
Wer lügen will der leug von ferne!
Wer zeugt dahin, erfährets gerne?
    Und da ich sah, daß es mir so wohl gelang, kam ich mit meiner Erzählung fast in der ganzen Welt herum; da war ich selbst in des Plinii dickem Wald gewesen, welchen man bisweilen bei den Aquis Cutiliis antreffe, denselben aber hernach, wenn man ihn mit höchstem Fleiß suche, gleichwohl weder bei Tag noch Nacht mehr finden könne; ich hatte selbst von dem lieblichen Wundergewächs Borametz in der Tartarei gessen, und wiewohl ich dasselbe mein Tage nicht gesehen, so konnte ich jedoch meinem Wirt von dessen anmutigem Geschmack dermaßen diskurrieren, daß ihm das Maul wässerig davon wurde; ich sagte, es hat ein Fleischlein wie ein Krebs, das hat ein Farb wie ein Rubin oder roter Pfirsich und einen Geruch, der sich beides den Melonen und Pomeranzen vergleicht; benebens erzählte ich ihm auch in was Schlachten, Scharmützlen und Belagerungen ich mein Tage gewesen wär, log aber auch etwas mehrers dazu, weil ich sah, daß ers so haben wollte; maßen er sich mit solchem und dergleichen Geschwätz wie die Kinder mit den Märlein aufziehen ließ, bis er darüber entschlief, und ich in eine wohl akkommodierte Kammer zu Bett geführt wurde, da ich dann in einem sanften Bett ohneingewiegt einschlief, welches mir lange nicht widerfahren war.
    Ich erwachte viel früher als die Hausgenossen selbst, konnte aber drum nicht aus der Kammer kommen, eine Last abzulegen, die zwar nicht groß, aber doch sehr beschwerlich war, sie über die bestimmte Zeit zu tragen; fand mich aber hinter einer Tapezerei mit einem hierzu bestimmten Ort, welchen etliche eine Kanzlei zu nennen pflegen, viel besser versehen, als ich in solcher Not hätt hoffen dürfen; daselbsthin setzte ich mich eilends zu Gericht und bedachte, wie weit meine edle Wildnis dieser wohlgezierten Kammer vorzuziehen wäre, als in welcher beides Fremd und Heimisch an jeden Orten und Enden ohne Erduldung einer solchen Angst und Drangsal, die ich dazumal überstanden hatte, stracks niederhocken könnte; nach Erörterung der Sach, als ich eben an des Baldanders Lehr und Kunst gedachte, langte ich aus einem neben mir hängenden Garvier ein Oktav von einem Bogen Papier, an demselbigen zu exequieren wozu es, neben andern mehr seiner Kameraden, kondemniert und daselbst gefangen war. »Ach!« sagte dasselbige, »so muß ich denn nun auch für meine treu geleisten Dienste und lange Zeit überstandenen vielfältigen Peinigungen, zugenötigten Gefahren, Arbeiten, Ängste, Elend und Jammer, nun erst den allgemeinen Dank der ungetreuen Welt erfahren und einnehmen? ach warum hat mich nit gleich in meiner Jugend ein Fink oder Goll aufgefressen, und alsobald Dreck aus mir gemacht, so hätte ich doch meiner Mutter der Erden gleich wiederum dienen und durch meine angeborne Feistigkeit ihro ein liebliches Waldblümlein oder Kräutlein hervorbringen helfen können, ehe daß ich einem solchen Landfahrer den Hintern hätt wischen und meinen endlichen Untergang im Scheißhaus nehmen müssen; oder warum werde ich nicht in eines Königs von Frankreich Sekret gebraucht, dem der von Navarra den Arsch wischt? wovon ich denn viel größer Ehr gehabt hätte, als

Weitere Kostenlose Bücher