Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Schiffbruch verlorn.
Als die liebe Sonne nun unsere Kleider wieder getrocknet, zogen wir selbige an und stiegen auf das felsichte hohe Gebirg, so auf der rechten Hand gegen Mitternacht zwischen dieser Ebne und dem Meer liegt, und sahen uns um; befanden auch gleich, daß wir auf keinen festen Landen sondern nur in dieser Insel waren, welche im Umkreis über anderthalbe Stunde Gehens nicht begriff; und weil wir weder nahe noch fern keine Landschaft, sondern nur Wasser und Himmel sahen, wurden wir beide betrübt und verloren alle Hoffnung, inskünftig wiederum Menschen zu sehen; doch tröstete uns hinwiederum, daß uns die Güte Gottes an diesen gleichsam sichern und allerfruchtbarsten, und nicht an einen solchen Ort gesendet hatte, der etwa unfruchtbar oder mit Menschenfressern bewohnet gewesen wäre; darauf fingen wir an zu gedenken, was uns zu tun oder zu lassen sein möchte; und weil wir gleichsam wie Gefangne in dieser Insel beieinander leben mußten, schwuren wir einander beständige Treu. Das besagte Gebirg saß und floh nicht allein voller Vögel von unterschiedlichen Geschlechten, sondern es lag auch so voll Nester mit Eiern, daß wir uns nicht genugsam darüber verwundern konnten; wir tranken der Eier etliche aus und nahmen noch mehr mit uns das Gebirg herunter, an welchem wir die Quell des süßen Wassers fanden, welches sich gegen Osten so stark, daß es wohl ein geringes Mühlrad treiben könnte, in das Meer ergeußt, darüber wir abermal eine neue Freud empfingen und miteinander beschlossen, bei derselbigen Quell unsere Wohnung anzustellen.
Zu solcher neuen Haushaltung hatten wir beide keinen andern Hausrat als eine Axt, einen Löffel, drei Messer, eine Piron oder Gabel, und eine Scher, sonst war nichts vorhanden; mein Kamerad hatte zwar ein Dukat oder dreißig bei sich, welche wir gern für ein Feurzeug gegeben, wenn wir nur eins dafür zu kaufen gewußt hätten; aber sie waren uns nirgends zu nichts nutz, ja weniger wert als mein Pulverhorn, welches noch mit Zündkraut gefüllt; dasselbe dörrete ich (weil es so weich als ein Brei war) an der Sonnen, zettelte davon auf einen Stein, belegte es mit leichtbrennender Materia, deren es von Moos und Baumwoll von den Kokosbäumen genugsam gab, strich darauf mit einem Messer durchs Pulver und fing also Feur, welches uns so hoch erfreute als die Erlösung aus dem Meer; und wenn wir nur Salz, Brot und Geschirr gehabt hätten, unser Getränk hinein zu fassen, so hätten wir uns für die allerglückseligsten Kerl in der Welt geschätzt, obwohl wir vor vierundzwanzig Stunden unter die unglücklichsten gerechnet werden mögen, so gut, getreu und barmherzig ist Gott, dem sei Ehr in Ewigkeit, Amen.
Wir fingen gleich etwas von Geflügel, dessen die Menge bei uns ohne Scheu herumging, rupftens, wuschens und stecktens an ein hölzernen Spieß; da fing ich an Braten zu wenden, mein Kamerad aber schaffte mir indessen Holz herbei und verfertigte eine Hütte, uns, wenn es vielleicht wieder regnen würde, vor demselben zu beschirmen, weil der indianische Regen gegen Afrika sehr ungesund zu sein pflegt; und was uns an Salz abging, ersetzten wir mit Zitronensaft, unser Speisen geschmacksam zu machen.
Das 20. Kapitel
Was sie für eine schöne Köchin dingen, und wie sie ihrer mit Gottes Hilf wieder los werden
Dieses war der erste Imbiß, den wir auf unserer Insel einnahmen; und nachdem wir solchen vollbracht, taten wir nichts anders, als dürr Holz zusammensuchen, unser Feur zu unterhalten; wir hätten gern gleich die ganze Insel vollends besichtigt, aber wegen überstandener Abmattung drängte uns der Schlaf, daß wir uns zur Ruhe legen mußten, welche wir auch kontinuierten bis an den lichten Morgen; als wir solchen erlebt, gingen wir dem Bächlein oder Revier nach hinunter, bis an Mund, da es sich ins Meer ergeußt, und sahen mit höchster Verwunderung, wie sich eine unsägliche Menge Fische in der Größe als mittelmäßige Salmen oder große Karpfen dem süßen Wasser nach ins Flüßlein hinauf zog, also daß es schien, als ob man eine große Herd Schwein mit Gewalt hineingetrieben hätte; und weil wir auch etliche Bonanas und Batatas antrafen, so treffliche gute Früchte sind, sagten wir zusammen, wir hätten Schlaraffenland genug (obzwar kein vierfüßig Tier vorhanden) wenn wir nur Gesellschaft hätten, beides die Fruchtbarkeit, als auch die vorhandenen Fisch und Vögel dieser edlen Insel genießen zu helfen; wir konnten aber kein einzig Merkzeichen spüren, daß
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