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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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jemalen Menschen daselbst gewesen wären.
    Als wir derowegen anfingen zu beratschlagen, wie wir unser Haushaltung ferner anstellen und wo wir Geschirr nehmen wollten, sowohl darin zu kochen, als den Wein von Palmen hineinzufangen und seiner Art nach verjähren zu lassen, damit wir ihn recht genießen könnten, und in solchem Gespräch so am Ufer herumspazierten, sahen wir auf der Weite des Meers etwas dahertreiben, welches wir in der Ferne nit erkennen konnten, wiewohl es größer schien als es an sich selbsten war; denn nachdem es sich nähert' und an unserer Insel gestrandet, war es ein halb totes Weibsbild, welches auf einer Kisten lag und beide Hände in die Handhaben an der Kisten eingeschlossen hatte; wir zogen sie aus christlicher Liebe auf trocken Land, und demnach wir sie beides wegen der Kleidung und etlicher Zeichen halber, die sie im Angesicht hatte, für eine Abessiner Christin hielten, waren wir desto geschäftiger, sie wieder zu sich selbst zu bringen; maßen wir sie, jedoch mit aller Ehrbarkeit, als sich solches mit ehrlichen Weibsbildern in solchen Fällen zu tun geziemt, auf den Kopf stelleten, bis ein ziemliche Menge Wasser von ihr gelaufen; und ob wir zwar nichts Lebhaftigs zu ferner Erquickung bei uns hatten als Zitronen, so ließen wir doch nicht nach, ihr die spiritualische Feuchtigkeit, die sich in den äußersten Enden der Zitronenschalen enthält, unter die Nase zu drücken und sie mit Schüttlen zu bewegen, bis sie sich endlich von sich selbst regte und Portugiesisch anfing zu reden; sobald mein Kamerad solches hörete, und sich in ihrem Angesicht wiederum ein lebhafte Farb erzeigte, sagte er zu mir: »Diese Abessinerin ist einmal auf unserm Schiff bei einer vornehmen portugiesischen Frauen eine Magd gewesen, denn ich hab sie beide wohl gekannt, sie sind zu Macao aufgesessen und waren willens mit uns in die Insel Annabon zu schiffen.« Sobald jene diesen reden hörete, erzeigte sich sehr fröhlich, nennete ihn mit Namen und erzählte nit allein ihre ganze Reis, sondern auch wie sie [sich freue], sowohl daß sie und er noch im Leben, als auch daß sie als Bekannte einander auf trocknem Land und außer aller Gefahr wieder angetroffen hätten; hierauf fragte mein Zimmermann, was wohl für Waren in der Kisten sein möchten, darauf antwortet' sie, es wären etliche chinesische Stück Gewand, etliche Gewehr und Waffen, und dann unterschiedliche so große als kleine porzellanen Geschirr, so nach Portugal einem vornehmen Fürsten von ihrem Herrn hätte geschickt werden sollen; solches erfreute uns trefflich, weil es lauter Sachen, deren wir am allermeisten bedürftig waren. Demnach ersuchte sie uns, wir wollten ihr doch solche Leutseligkeit erweisen und sie bei uns behalten, sie wollte uns gern mit Kochen, Waschen und andern Diensten als eine Magd an die Hand gehen und uns als ein leibeigne Sklavin untertänig sein, wenn wir sie nur in unserem Schutz behalten und ihr den Lebensunterhalt, so gut als es das Glück und die Natur in dieser Gegend bescherte, neben uns mit zu genießen gönnen wollten.
    Darauf trugen wir beide mit großer Mühe und Arbeit die Kiste an denjenigen Ort, den wir uns zur Wohnung auserkoren hatten; daselbsten öffneten wir sie und fanden so beschaffene Sachen darinnen, die wir zu unserem damaligen Zustand und Behuf unserer Haushaltung nimmermehr anders hätten wünschen mögen; wir packten aus und trockneten solche War an der Sonnen, wozu sich unser neue Köchin gar fleißig und dienstbar erzeigte; folgends fingen wir an Geflügel zu metzgen, zu sieden und zu braten, und indem mein Zimmermann hinging, Palmwein zu gewinnen, stieg ich aufs Gebirg, für uns Eier auszunehmen, solche hart zu sieden und anstatt des lieben Brots zu brauchen; unterwegs betrachtete ich mit herzlicher Danksagung die großen Gaben und Gnaden Gottes, die uns dessen barmherzige Vorsehung so vatermildiglich mitgeteilt und ferners zu genießen vor Augen stellete; ich fiel nieder auf das Angesicht und sagte mit ausgestreckten Armen und erhobenem Herzen: »Ach! ach! du allergütigster himmlischer Vater, nun empfinde ich im Werk selbsten, daß du williger bist uns zu geben, als wir von dir zu bitten! ja allerliebster Herr! du hast uns mit dem Überfluß deiner göttlichen Reichtümer ehender und mehrers versehen, als wir armen Kreaturen bedacht waren, im geringsten etwas dergleichen von dir zu begehren. Ach getreuer Vater, deiner unaussprechlichen Barmherzigkeit wolle allergnädigst gefallen, uns zu verleihen,

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