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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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kein Haar von diesem Schluß und Laugenguß, sondern setzte mich zu genießen, was zugerichtet dastund, sprach auch nach christlichem und hochlöblichem Brauch das Benedicte; sobald ich aber das Kreuz beides über die Speisen und meine Mitesser machte, und den göttlichen Segen anrufte, verschwand beides unsere Köchin und die Kiste, samt allem dem was in besagter Kisten gewesen war, und ließ einen solchen grausamen Gestank hinter sich, daß meinem Kameraden ganz unmächtig davon wurde.

Das 21. Kapitel
    Wie sie beide nach der Hand miteinander hausen und sich in den Handel schicken
    Sobald er sich wiederum erkobert hatte und zu seinen sieben Sinnen kommen war, kniete er vor mir nieder, faltete beide Händ und sagte wohl eine halbe Viertelstund nacheinander sonst nichts, als: »Ach Vater! ach Bruder; ach Vater! ach Bruder!« und fing darauf an, mit Wiederholung solcher Worte so inniglich zu weinen, daß er vor Schluchzen kein verständliche Wort mehr herausbringen konnte; also daß ich mir einbildete, er müßte durch Schrecken und Gestank seines Verstands beraubt worden sein; wie er aber mit solcher Weis nit nachlassen wollte und mich immerhin um Verzeihung bat, antwortet ich: »Liebster Freund, was soll ich Euch verzeihen, da Ihr mich doch Euer Lebtag niemal beleidigt habt? sagt mir doch nur wie es Euch zu helfen sei?« »Verzeihung«, sagte er, »bitte ich, denn ich hab wider Gott, wider Euch und wider mich selbst gesündigt!« und damit fing er sein vorige Klag wieder an, kontinuierte sie auch so lang, bis ich sagte, ich wüßte nichts Böses von ihm, und dafern er gleichwohl etwas begangen, deswegen er sich ein Gewissen machen möchte, so wollte ichs ihm nicht allein so viel es mich beträfe von Grund meines Herzens verziehen und vergeben haben, sondern auch wenn er sich wider Gott vergriffen, neben ihm dessen Barmherzigkeit um Begnadigung anrufen; auf solche Wort faßte er meine Schenkel in seine Arm, küßte meine Knie, und sah mich so sehnlich und drauf an, daß ich drüber gleichsam erstummete und nicht wissen oder erraten konnte, was es doch immermehr mit dem Kerl für eine Beschaffenheit haben möchte; demnach ich ihn aber freundlich in die Arme nahm und an meine Brust drückte, mit Bitt mir zu erzählen was ihm anläge und wie ihm zu helfen sein möchte, beichtet' er mir alles haarklein heraus, was er mit der vermeinten Abessinerin für ein Diskurs geführt und über mich, beides wider Gott, wider die Natur, wider die christliche Liebe und wider das Gesetz getreuer Freundschaft, die wir einander solenniter geschworen, bei sich selbst beschlossen gehabt hatte; und solches tat er mit solchen Worten und Gebärden, daraus sein inbrünstige Reu und zerknirschtes Herz leicht zu mutmaßen oder abzunehmen war.
    Ich tröstete ihn, so gut ich immer konnte, und sagte, Gott hätte vielleicht solches zur Warnung über uns verhängt, damit wir uns künftig vor des Teufels Stricken und Versuchungen desto besser vorsehen, und in steter Gottesfurcht leben sollten; er hätte zwar Ursach, seiner bösen Einwilligung halber Gott herzlich um Verzeihung zu bitten, aber noch ein größere Schuldigkeit sei es, daß er ihm um seine Güte und Barmherzigkeit danke, indem er ihn so väterlich aus des leidigen Satans List und Fallstrick gerissen und ihn vor seinem zeitlichen und ewigen Fall behütet hätte; es würde uns vonnöten sein vorsichtiger zu wandeln, als wenn wir mitten in der Welt unter dem Volk wohneten; denn sollte einer oder der ander oder wir alle beide fallen, so würde niemand vorhanden sein, der uns wiederum aufhülfe, als der liebe Gott, den wir derowegen desto fleißiger vor Augen haben und ihn ohn Unterlaß um Hilf und Beistand anflehen müßten.
    Von solchen und dergleichen Zusprechen wurde er zwar um etwas getröst, er wollte sich aber nichtsdestoweniger nicht allerdings zufrieden geben, sondern bat aufs demütigste, ich wollte ihm doch wegen seines Verbrechens eine Buß auflegen; damit ich nun sein niedergeschlagenes Gemüt nach Möglichkeit wiederum etwas aufrichten möchte, sagte ich, dieweil er ohnedas ein Zimmermann sei und seine Axt noch im Vorrat hätte, so sollte er an demjenigen Ort, wo sowohl wir als unsere teuflische Köchin gestrandet, am Ufer des Meers ein Kreuz aufrichten, damit würde er nicht allein ein Gott wohlgefällig Bußwerk verrichten, sondern auch zuwegen bringen, daß künftig der böse Geist, welcher das Zeichen des hl. Kreuzes scheue, unsere Insel nicht mehr so leichtlich anfallen

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