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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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auf ein Seit, und verließen sich auf die Gab, in Hoffnung, sie würde ihnen alle Wohlfahrt verleihen; auch waren viel, deren Gott ihr eigener Bauch war, welchem sie täglich die Opfer reichten, wie vorzeiten die Heiden dem Baccho und der Cerere getan, und wenn solcher sich unwillig erzeigte, oder sonst die menschlichen Gebrechen sich anmeldeten, so machten die elenden Menschen einen Gott aus dem Medico, und suchten ihres Lebens Aufenthalt in der Apothek, aus welcher sie zwar öfters zum Tod befördert wurden. Manche Narren machten sich Göttinnen aus glatten Metzen, dieselben nenneten sie mit andern Namen, beteten sie Tag und Nacht an mit viel tausend Seufzern und machten ihnen Lieder, welche nichts anders als ihr Lob in sich hielten, benebens einem demütigen Bitten, daß solche mit ihrer Torheit ein barmherziges Mitleiden tragen und auch zu Närrinnen werden wollten, gleichwie sie selbst Narren seien. Hingegen waren Weibsbilder, die hatten ihre eigene Schönheit für ihren Gott aufgeworfen; diese, gedachten sie, wird mich wohl vermannen, Gott im Himmel sage dazu, was er will; dieser Abgott ward anstatt anderer Opfer täglich mit allerhand Schminke, Salben, Wassern, Pulvern und sonst Schmirsel unterhalten und verehrt. Ich sah Leut, die wohlgelegene Häuser für Götter hielten, denn sie sagten, solang sie darin gewohnet, wäre ihnen Glück und Heil zugestanden und das Geld gleichsam zum Fenster hineingefallen; welcher Torheit ich mich höchstens verwundert, weil ich die Ursach sah, warum die Inwohner so guten Zuschlag gehabt. Ich kannte einen Kerl, der konnte in etlich Jahren vor dem Tobakhandel nicht recht schlafen, weil er demselben sein Herz, Sinn und Gedanken, das allein Gott gewidmet sein sollte, geschenkt hatte, er schickte demselben so tags als nachts so viel tausend Seufzer, weil er dadurch prosperierte; aber was geschah? der Phantast starb, und fuhr dahin wie der Tobakrauch selbst. Da gedacht ich: »O du elender Mensch! wäre dir deiner Seelen Seligkeit und des wahren Gottes Ehr so hoch angelegen gewesen als der Abgott, der in Gestalt eines Brasilianers mit einer Roll Tobak unterm Arm und einer Pfeifen im Maul auf deinem Gaden stehet, so lebte ich der ohnzweiflichen Zuversicht, du hättest ein herrliches Ehrenkränzlein in jener Welt zu tragen erworben.« Ein anderer Gesell hatte noch wohl liederlichere Götter, denn als bei einer Gesellschaft von jedem erzählt wurde, auf was Weis er sich in dem greulichen Hunger und teurer Zeit ernähret und durchgebracht, sagte dieser mit teutschen Worten: Die Schnecken und Frösch seien sein Herr Gott gewesen, er hätte sonst in Mangel ihrer müssen Hungers sterben. Ich fragte ihn, was ihm denn damals Gott selbst gewesen wäre, der ihm solche Insecta zu seinem Aufenthalt beschert hätte? Der Tropf aber wußte nichts zu antworten, und ich mußte mich um so viel desto mehr verwundern, weil ich noch nirgends gelesen, daß die alten abgöttischen Ägypter noch die neulichsten Amerikaner jemals dergleichen Ungeziefer für Gott ausgeschrien, wie dieser Geck tat.
    Ich kam einsmals mit einem vornehmen Herrn in eine Kunstkammer, darinnen schöne Raritäten waren, unter den Gemälden gefiel mir nichts besser als ein Ecce Homo! wegen seiner erbärmlichen Darstellung, mit welcher es die Anschauer gleichsam zum Mitleiden verzückte; daneben hing eine papierne Karte in China gemalt, darauf stunden der Chinesen Abgötter in ihrer Majestät sitzend, deren teils wie die Teufel gestaltet waren; der Herr im Haus fragte mich, welches Stück in seiner Kunstkammer mir am besten gefiele? Ich deutet auf besagtes Ecce Homo, er aber sagte, ich irre mich, das Chineser Gemäld wäre rarer und dahero auch köstlicher, er wolle es nicht um zehen solcher Ecce Homo mangeln. Ich antwortet: »Herr, ist euer Herz wie euer Mund?« Er sagte: »Ich versehe michs.« Darauf sagte ich: »So ist auch euers Herzens Gott derjenige, dessen Conterfait ihr mit dem Mund bekennet, das köstlichste zu sein.« »Phantast«, sagt' jener, »ich ästimiere die Rarität!« Ich antwortet: »Was ist seltener und verwundernswürdiger, als daß Gottes Sohn selbst unsertwegen gelitten, wie uns dies Bildnis vorstellt?«

Das 25. Kapitel
    Dem seltsamen Simplicio kommt in der Welt alles seltsam vor, und er hingegen der Welt auch
    So sehr wurden nun diese und noch eine größere Menge anderer Art Abgötter geehrt, so sehr wurde hingegen die wahre göttliche Majestät verachtet, denn gleichwie ich niemand sah, der sein Wort und

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