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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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weislichsten? Über dieses alles betrachtet das Geflügel unter dem Himmel! betrachtet die unterschiedlichen Gebäue ihrer artlichen Nester, und weil ihnen ihre Arbeit niemand nachmachen kann, so müßt ihr ja bekennen, daß sie beides verständiger und künstlicher sind, als ihr Menschen selbst: Wer sagt den Sommervögeln, wann sie gegen den Frühling zu uns kommen und Junge hecken? und gegen den Herbst, wann sie sich wieder von dannen in die warmen Länder verfügen sollen? Wer unterrichtet sie, daß sie zu solchem End einen Sammelplatz bestimmen müssen? Wer führet sie oder wer weiset ihnen den Weg, oder leihet ihr Menschen vielleicht ihnen euren Seekompaß, damit sie unterwegs nicht irrfahren? Nein, ihr lieben Leut, sie wissen den Weg ohne euch und wie lang sie darauf müssen wandern, auch wann sie von einem und dem andern Ort aufbrechen müssen; bedürfen also weder eures Kompasses noch eures Kalenders. Ferners beschauet die mühsame Spinn, deren Geweb beinahe ein Wunderwerk ist! Sehet, ob ihr auch einen einzigen Knopf in aller ihrer Arbeit finden möget? Welcher Jäger oder Fischer hat sie gelehret, wie sie ihr Netz ausspannen, und sich, je nachdem sie sich eines Netzes gebraucht, ihr Wildpret zu belaustern entweder in den hintersten Winkel oder gar in das Zentrum ihres Gewebs setzen solle? Ihr Menschen verwundert euch über den Raben, von welchem Plutarchus bezeugt, daß er so viel Stein in ein Geschirr, so halb voll Wasser gewesen, geworfen, bis das Wasser so weit oben gestanden, daß er bequemlich hab trinken mögen: Was würdet ihr erst tun, wenn ihr bei und unter den Tieren wohnen und ihre übrigen Handlungen, Tun und Lassen ansehen und betrachten würdet; alsdann würdet ihr erst bekennen, daß es sich ansehen lasse, als hätten alle Tier etwas besonderer eigener natürlicher Kräfte und Tugenden in allen ihren Affectionibus und Gemütsneigungen, in der Vorsichtigkeit, Stärk, Mildigkeit, Furchtsamkeit, Rauheit, Lehr und Unterrichtung; es kennet je eines das ander, sie unterscheiden sich vor einander, sie stellen dem nach, so ihnen nützlich, fliehen das schädlich, meiden die Gefahr, sammlen zusammen, was ihnen zu ihrer Nahrung notwendig ist, und betrügen auch bisweilen euch Menschen selbst. Dahero viel alte Philosophi solches ernstlich erwogen, und sich nicht geschämt haben zu fragen und zu disputieren, ob die unvernünftigen Tier nicht auch Verstand hätten? Ich mag aber nichts mehr von diesen Sachen reden, gehet hin zu den Immen, und sehet, wie sie Wachs und Honig machen, und alsdann sagt mir euer Meinung wieder.«

Das 13. Kapitel
    Hält allerlei Sachen in sich, wer sie wissen will, muß es nur selbst lesen oder sich lesen lassen
    Hierauf fielen unterschiedliche Urteil über mich, die meines Herrn Tischgenossen gaben, der Secretarius hielt dafür, ich sei für närrisch zu halten, weil ich mich selbst für ein vernünftig Tier schätzte und dargebe, maßen diejenigen, so ein Sparren zu viel oder zu wenig hätten und sich jedoch weis zu sein dünkten, die allerartlichsten oder visierlichsten Narren wären: Andere sagten, wenn man mir die Imagination benehme, daß ich ein Kalb sei, oder mich überreden könnte, daß ich wieder zu einem Menschen worden wäre, so würde ich für vernünftig oder witzig genug zu halten sein. Mein Herr selbst sagte: »Ich halte ihn für einen Narrn, weil er jedem die Wahrheit so ungescheut sagt, hingegen sind seine Diskurse so beschaffen, daß solche keinem Narrn zustehen.« Und solches alles redeten sie auf Latein, damit ichs nicht verstehen sollte. Er fragte mich, ob ich studiert hätte, als ich noch ein Mensch gewesen? Ich wüßte nicht, was Studieren sei, war mein Antwort, »aber lieber Herr«, sagte ich weiters, »sag mir, was Studen für Dinger sind, damit man studieret? Nennest du vielleicht die Kegel so, damit man keglet?« Hierauf antwortet' der tolle Fähnrich: »Wat wolts met deesem Kerl sin, bei hett den Tüfel in Liff, hei ist beseeten, de Tüfel der kühret ut jehme.« Dahero nahm mein Herr Ursach, mich zu fragen, sintemal ich denn nunmehr zu einem Kalb worden wäre, ob ich noch wie vor diesem, gleich andern Menschen, zu beten pflege, und in Himmel zu kommen getraue? »Freilich«, antwortet ich, »ich habe ja meine unsterbliche menschliche Seel noch, die wird ja, wie du leichtlich gedenken kannst, nicht in die Höll begehren, vornehmlich weil mirs schon einmal so übel darinnen ergangen; ich bin nur verändert wie vor diesem Nabuchodonosor, und dürfte ich

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